Geheimnis und Faszination Licht

Hajo Düchting - „Licht und Schatten“

von Frank Becker

Geheimnis und Faszination Licht
 
„Auch ein einziges Haar wirft seinen Schatten.“
Publilius Syrus, Sentenzen
 
 
Kein Licht ohne Schatten – kein Schatten ohne Licht.“ Die Abhängigkeit des einen vom anderen fasziniert seit jeher die Malerei – und in deren Fortsetzung seit Daguerre die Fotografie. Das Licht so in Farben zu bannen, dass man sein Feuer spürt und die Kühle eines beschatteten Plätzchens quasi wie mit einem Thermometer messen zu können gehört zur großen Kunst der Malerei. Den Kontrast zwischen Helligkeit und Dunkel, zwischen Tag und Nacht, das mähliche Verschwimmen der Hell-Dunkel-Grenzen oder wie bei René Magrittes „Das Prinzip der Unsicherheit (1944)“ die Aufhebung dieser Grenzen zu zeigen, hat Künstler stets gefordert. Denken wir an den Glast mittäglicher Sonne, wie die Impressionisten ihn seit Barbizon beeindruckend fast körperlich spürbar festgehalten haben – Vincent van Goghs Bilder z.B. flimmern ja beinahe vor Hitze – oder an impressionistische Dämmerungen wie Claude Monets Londoner Sonnenauf- und -untergänge. Licht wurde wohl kaum je intensiver und innovativer gemalt als von Mallord William Turner (1775-1851). Das faszinierendste Leuchten, dem ich je Aug in Auge gegenüberstand, war in der Tate Gallery das in seinem „The Fighting Temeraire tugged to her last Berth to be broken up, 1838“ (1839).


William Turner, „The Fighting Temeraire tugged to her last Berth to be broken up, 1838“ (1839)
 
Dies und viele andere exemplarische Bilder vom 15. bis zum 21. Jahrhundert hat der Kunsthistoriker Hajo Düchting für seine essayistische Betrachtung vom Hell und Dunkel in der Kunst in einem exemplarischen Bildband bei Belser zusammengestellt und kommentiert. Der amerikanische Realismus ist u.a. durch Edward Hoppers „Nighthawks“ eindrucksvoll vertreten, der französisch

Lesser Ury, „Nollendorfplatz bei Nacht“  (1925)
inspirierte amerikanische Impressionismus durch James McNeill Whistlers (1834-1903) „Nocturne Blue and Gold: Old Battersea Bridge“ aus dem Jahr 1872.
Das Lichtermeer der Großstadt wie bei Lesser Urys „Nollendorfplatz bei Nacht“ (1925), die Romantik von Caspar David Friedrichs „Frau vor der aufgehenden Sonne“ (1818), Axel Katz´ „Yellow House (2001), Daniel Richters unbenannte Schattenwesen (2002) und James Turrells Lichtinstallation „Bridget´s Bardo“ (2008) sind ebenso dabei wie Claude Lorrains „Seehafen bei aufgehender Sonne“ (1674) und Félix Vallotons „Die Abendmahlzeit“ (1899).

Hajo Düchting, Kunsthistoriker und Maler, unterrichtete an kunstgeschichtlichen Instituten und Kunstakademien. Er hat zahlreiche Bücher zur Kunstgeschichte publiziert. Im Belser Verlag erschienen von ihm zuvor u.a. die Bände „Farbrausch“ und „Bildraum“.

 
Hajo Düchting – „Licht und Schatten“
Vom Hell und Dunkel in der Kunst
2011 Belser Verlag, 128 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, 25 x 28,5 cm, ca. 100 farbige Abbildungen  -  ISBN: 978-3-7630-2584-8
29,95 € / CHF 43,50  / A: 30,80 €

Weitere Informationen: www.belser.de
 



Claude Monet, „Impression - Sonnenaufgang“ (1872)