Bulgarien

(und Ovid)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Bulgarien
 
Ovid, die arme Socke, war der erste Bulgare mit Migrationshintergrund der Geschichte. Naja, Bulgare ist vielleicht übertrieben, damals waren die Grenzen zwischen Rumänien und Bulgarien recht verschwommen, offen gesagt gab es sie gar nicht, weil es die beiden Länder nicht gab. Ovid also wurde in diese Gegend verbannt.
Er gehörte zu den (sprachlich gesehen) elegantesten Erscheinungen des alten Rom und war so erfolgreich, daß er als 50jähriger der gefeiertste Dichter seiner Zeit war. Dann aber passierte es: aus scheinbar heiterem Himmel ereilte ihn 8 n.Chr. ein kaiserlicher Kabinettsbeschluß, demzufolge er Rom sofort zu verlassen hatte. Er wurde nach Tomi am Schwarzen Meer verbannt, sozusagen ans Ende der damaligen Welt. Hintergrund dieser etwas dunklen Affäre war: Kaiser Augustus hatte in seinem Bemühen, ein bißchen Sittlichkeit und Strenge in das Leben Roms zu bringen, u.a. die lex iulia de adulteriis verabschiedet, ein Gesetz, das den Ehebruch, das adulterium, unter Strafe stellte. Auslöser für dieses Gesetz war der wohl etwas zu lockere Lebenswandel zweier Damen aus dem Hochadel: Iulia Vipsania und ihre Mutter Iulia. Sie trieben es so bunt, daß Augustus beide verbannte und ihre Beisetzung im Mausoleum verbot. Irgendwie muß Ovid an diesen Skandalen beteiligt gewesen sein und bekam deshalb den eisernen Besen zu spüren. Böswillige Gerüchte allerdings berichten, Ovid habe die Lichtgestalt Augustus in flagranti mit der eigenen Tochter erwischt und sei deshalb zur persona non grata geworden. Wie auch immer: der lockere Ton der wunderbaren Gedichte in der „ars amatoria“ paßte Augustus wohl nicht, das konnte er in dieser Zeit der moralisch-geistigen Erneuerung nicht brauchen und überhaupt: haben diese Art Imperatoren jemals Argumente gebraucht? Ovid hing also in Tomi am Schwarzen Meer, träumte den goldenen Zeiten nach und war natürlich sehr unglücklich. 17 n.Chr. starb er denn auch im Exil, sechzig Jahre alt.

Darf ich Publius Ovidius Naso abermals mit ein paar einschlägigen Zeilen in Erinnerung rufen, Zeilen, die damals bestimmt die reiferen Damen an den Stränden vom Schwarzen Meer aufgesagt haben, ob in Tomi oder in Nesebar, egal:
 
 
Reife Genüsse
Buch II 682-702
 
Der Mann und die Frau:
beide sollen im selben Maß
an der Entspannung sich freuen.
Grauenhaft, wenn nach der Liebe
nicht beide Entspannung empfinden.
Das ist auch der Grund dafür, daß
ich auf Liebe mit jungen nicht so steh’.
Grauenhaft, wenn sie Dich läßt,
bloß weil sie denkt,
sie muß Dich halt lassen.
Und trocken den Reim Dir verweigert:
sie denkt nicht ans...
nein, sie denkt nur ans Stricken!
Lust aus preußischer Pflicht:
darauf kann ich gut verzichten.
Keine soll bei mir denken:
„na gut, wenn’s denn sein muß...“
Ich will sie hören, die Laute:
das Gurren, das Stöhnen,
die ihre Lust mir verraten.
„Warte noch“, „Halt es zurück“
Das soll sie mir sagen.
Den Blick will ich sehen:
matt und besiegt, wenn sie
völlig ermattet dann da liegt,
ausgelaugt soll sie sein
und mir sagen: „Nein,
faß mich ein Weilchen nicht an!“
Das sind, allerdings, schon Genüsse
welche die Jugend nicht hat,
solche kennt nur das reifere Alter.
Wer keine Zeit hat, der mag sich
am jungen Wein freuen,
ich bin da mehr der Gourmet
und genieße nach Jahrgang:
je älter, je lieber.
Drängt es Dich also,
die goldenen Früchte zu pflücken,
die reifere Liebe bereithält,
dann lasse Dir Zeit:
Du wirst’s nicht bereuen!
 
 
Na gut, frivol war er schon (selbst in der Übersetzung hier, die von mir stammt), aber deshalb gleich ans Schwarze Meer?
 
In diesem Sinne!
Ihr
Konrad Beikircher


 ©  2013 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker