Heimlichkeiten
Eine Kindergartengruppe, bestehend aus neun Kindern und einer Erzieherin, schleicht heimlich aus einem Kirchenraum, in dem ein Priester auf einer Kanzel steht und Gott einen guten Mann sein läßt. Obwohl sich die Erzieherin Mühe gibt, den Raum heimlich zu verlassen, fällt dies auf und stört empfindlich. Ein schneller Abgang ist manchmal dem heimlichen Getue vorzuziehen.
Kürzlich hörte ich von Heimlichkeiten, die ich selbst nicht ertragen hätte. Ein Mann verweilte heimlich in einem Schrank mit geschmacklosen Herrenschlafanzügen, während eine Frau vor ihrem überraschend heimgekehrten Ehemann so tat, als wäre sie früh ins Bett gegangen. Sie küßte ihn dann sogar, wie jeden Abend, aber nun heimlich, um die Gefühle ihres Liebhabers im Schrank nicht zu verletzen. Wie ich später hörte, wußte die Frau nicht, daß ihr Ehemann schon längst ihre Untreue aufgedeckt hatte und sie nur gewähren ließ, weil er die gesamte Situation als stimulierend betrachtete.
Kennen sie die zwei Bankräuber, die heimlich unter einem Tisch warten, bis der alte Nachtwächter seine Runde durch den Tresorraum abgeschlossen hat? Erinnert das nicht an die Kinder, die früher taten, als ob sie schliefen, während der Papa kurz die Tür öffnete, einen Blick auf seine angeblich ruhenden Kinder warf, um dann wieder heimlich ins Wohnzimmer zu schleichen und weiter schlüpfrige Filme zu gaffen?
© 2013 Erwin Grosche
Redaktion: Frank Becker
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