Ein Ekel von Rang

In der Version der Kammeroper Köln von „My Fair Lady“ hatte Henry Higgins die Nase vorn

von Frank Becker

Maria Mucha - Foto © Maria Mucha
Ein Ekel von Rang
 
In der Version der Kammeroper Köln von „My Fair Lady“
hatte Henry Higgins die Nase vorn
 
Zur Story des Londoner Blumenmädchens Eliza Doolittle, das aufgrund einer Wette zwischen dem überheblichen Sprachforscher Henry Higgins und dem jovialen Kolonialoberst Pickering zur Lady „umgeformt“ wird, ist im Grunde nicht mehr viel zu sagen. Die Theatervorlage „Pygmalion“ von G.B. Shaw wurde ab 1956 durch die Musical-Fassung „My Fair Lady“ von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe weltweit beliebt und übertroffen – und der Erfolg hält natürlich nicht zuletzt durch die vielen eingängigen Melodien an.
 
Die Kammeroper Köln gastierte in der vergangenen Woche mit einer von Lajos Wenzel inszenierten Fassung vor ausverkauftem Haus im Remscheider Teo Otto Theater. Ausgezeichnete Darsteller gaben den stimmig gezeichneten Charakteren überzeugend Gestalt, eine schwungvolle Choreographie und ein homogenes Ensemble trugen den Abend. Die Bergischen Symphoniker unter Inga Hilsberg begleiteten - nachdem die blechern „runtergespielt“ wirkende Ouvertüre geschafft war - dann doch schwungvoll auf den Punkt gebracht die Songs. „Wart´s nur ab, Henry Higgins“, „In der Straße, mein Schatz, wo du lebst“, „Mit `nem kleenen Stückchen Glück“, „Bringt mich pünktlich zum Altar“, „Tu´s doch“ – alles längst Gassenhauer, die den Protagonisten und dem sogar tänzerisch begabten Ensemble (Choreographie: Robina Steyer) vorzüglich gelangen. Beachtlich auch die gelegentlich aufblitzenden Barbershop-Qualitäten des Herrenchors.

Thekla Gras - Foto: Kammeroper Köln
 
Jeder wartet natürlich besonders gespannt auf „Ich hätt´ getanzt heut Nacht“ und „Es grünt so grün“ die großen Songs von Eliza Doolittle (bewegend in ihrer Desillusionierung und charaktervoll im zauberhaften Empire-Kleid: Maria Mucha) sowie „Kann eine Frau nicht so sein wie ein Mann“ und „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“ von Henry Higgins (ein Ekel von Rang: Volker Hein). Da wurde niemand enttäuscht, denn besser als diese beiden kann man es kaum machen. „Es grünt so grün“ wurde zur hinreißend temperamentvollen, gefeierten Nummer des Hauptdarsteller-Trios.
Bernhard Dübe als Oberst Pickering überzeugte sympathisch als liebenswürdiger Hagestolz und Gentleman, zeigte sich darüber hinaus als Komödiant von Rang, die bildschöne Thekla Gras beeindruckte mit Gardemaß und Understatement als resolute Haushälterin Mrs. Pearce. Sean Breen als Freddy blieb etwas blaß, wenn auch liebenswert in seinem Song „In der Straße…“.
 
Was gelegentlich bei „My Fair Lady“-Inszenierungen zu kurz kommt, wurde hier verdienstvoll unterstrichen: die Sozialkritik Shaws, der die aus bedenkenloser Überheblichkeit begangene unwürdige Behandlung eines Mädchens aus der ungebildeten „Unterschicht“, das Experiment mit einer menschlichen Seele mit deutlichen Worten anprangert. Volker Hein kehrte diese konsequente Arroganz der gebildeten „Oberschicht“ angemessen (und mit Resonanz aus dem Publikum) heraus, was ihm eine Nasenspitze Vorsprung vor dem übrigen Ensemble gab. Ein gelungener Abend.
 
Weitere Informationen: www.kammeroper-koeln.de