Pflichtlektüre

Ernst Horst – „Nur keine Sentimentalitäten!“ - Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte

von Frank Becker

Titelillustration: Carl Barks © Disney
Ernst Horst – „Nur keine Sentimentalitäten!“
 
Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte
 
 
Sollten Sie jemals den hehren Plan verfolgen, sich vom schlichten Mickymaus-Heft-Leser in die elysischen Gefilde Entenhausener Kennerschaft aufschwingen zu wollen, sozusagen die höheren Weihen anzustreben, lege ich Ihnen, verehrter Leser, ein dafür unverzichtbares Buch ans Herz: „Nur keine Sentimentalitäten! - Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte“. Der Verfasser dieser profunden Untersuchung zur Sprache und dem subtilen Humor der einzig legitimen Übersetzungen der Duck-Geschichten von Carl Barks ins Deutsche ist Herr Ernst Horst, nicht ohne Grund Würdenträger der „Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus“ (D.O.N.A.L.D.). Er hat mit bemerkenswerter, ja rarer Kenntnis des Fuchs´schen Œeuvres ein Grundlagenwerk geschaffen, das in dessen Rezeption solitär dasteht.
 
Kritisch, entlarvend, respektvoll
 
Dabei befleißigt sich Ernst Horst bei seinen durchaus auch kritischen, ja entlarvenden, doch stets respektvollen Betrachtungen selbst einer dem Mutterwitz der Ikone sehr nahen Sprachkunst, was sein Buch allerhöchst lesenswert macht. Da Herrn Horsts Vita sich aufs Intimste mit der Editionsgeschichte des Mickymaus-Heftes verbindet und er auch die Entwicklung Druckerzeugnisse der frühen 50er Jahre genauestens beobachtet hat, kommen wir sozusagen aus erster Hand zu Informationen, die erst den Werdegang der Doktorin Erika Fuchs transparent werden lassen. Die durch eigene Leseerlebnisse erworbene, quasi hautnahe, detailgetreue Kenntnis des Barks/Fuchs´schen Gesamtwerks muß selbstredend die Grundvoraussetzung für eine solch komplexe wissenschaftliche Arbeit sein, deren Lektüre – dem unwiderstehlichen sprachlichen und onomatopoetischen Witz des untersuchten Stoffs geschuldet – selber sehr, sehr unterhaltsam und dem Gegenstand der Untersuchung angemessen erheiternd ist.
 
Vom Einkauf-Bummel mit Angelika zur Guitahre Donald Ducks
 
So erfahren wir u.a. vom Fuchs´schen Werdegang über die Vorstufe als Übersetzerin des monatlichen Unterhaltungsmagazins „Das Beste aus Reader´s Digest“ bis zur Chefredaktörin der im gleichen Haus untergebrachten Mickymaus-Redaktion – sehr aufschlußreich. Auch vermag Ernst Horst aufgrund verwendeter Zitate Erika Fuchsens eigene Lesegeschichte in Teilen nachzuvollziehen und mit den Namensfindungen, Wortschöpfungen und Onomatopöien der Grand Dame des deutschsprachigen Comic zu verknüpfen. Sie in ihrer Reichhaltigkeit zu erfassen und zu erläutern gerät dabei fast zwangsläufig zum einem linguistischen Hauptspaß.
 
Der Rührfix
 

© Disney

Nehmen wir als Exempel den einleitenden Absatz des Kapitels „Die Zunge im Rühfix“ (Was Erika Fuchs alles aus unserer Welt übernommen hat, S. 232 ff.):
 
„Ob Erika Fuchs wohl jemals einen Rührfix besessen hat? Dann hätte sie es eigentlich besser wissen müssen. Von einem Rührfix geht keine Gefahr für die Zunge aus. Das ist nämlich ein handbetriebenes Rührgerät, mit dem man zum Beispiel Schlagsahne herstellen kann. Es besteht aus einem Becher und einem Deckel mit der Rührmechanik. Das Rühren erfolgt zungenschonend in dem geschlossenen Behälter. Aber im Hause Duck ist Rührfix wohl nur ein Synonym für Mixer. Rührfix ist einfach nur das schönere Wort, und englische Ausdrücke wie Mixer hat Erika Fuchs, wie wir inzwischen wissen, immer vermieden. Früher war der Behälter eines Rührfix aus Glas und der Deckel aus Bakelit, heute ist beides aus haptisch unbefriedigendem Kunststoff. Selbst der Rührfix, den der Retroversand Manufactum heute anbietet, besteht nicht aus den klassischen Materialien. Die Herstellung wäre zu teuer. Bakelit ist ein Preßstoff oder Duroplast. Diese Kunstharze werden heiß gepreßt und sind dann unschmelzbar. Bei einer Wohltätigkeitstombola findet Donald Duck einmal in einer Wundertüte eine Hasenpfote. „Sie ist aber nur aus Preßstoff“, sagt Daisy. Wie nicht anders zu erwarten, bringt ihm dieser unechte Talisman zwar schon irgendwie Glück, aber nicht die Sorte Glück, die ihn befriedigt hätte. In der Zweitübersetzung von 1968 wurde dann aus dem schönen Preßstoff ein schnöder Kunststoff.“  
 
Pflichtlektüre
 
Ohne wenn und aber ist dieses köstliche, mehr noch: kostbare Buch, aus dem wir schier alles erfahren (Namen, Erziehung und Wissenschaft, Literatur, Musik, Essen und Trinken, Fauna und Flora, Mann und Weib, Ideologien u.a.m. in Entenhausen) unbedingte Pflichtlektüre für Donaldisten, Sprachwissenschaftler und Heftchenleser mit Anspruch! Ernst Horst belegt alles mit Original-Stellen und -Abbildungen aus den wichtigen beiden ersten Jahrzehnten der Mickmaus-Hefte. Ich kann dieses herrliche Buch jedem nur ans Herz legen. Dafür bekommt es, ebenfalls ohne wenn und aber, unsere höchste Auszeichnung: den Musenkuß. Es sollte übrigens nebst seinem nicht minder informativen Anhang anstelle von Schillers „Kabale und Liebe“ zentrales Abiturthema sein.
 

      © Disney
 
Ernst Horst – „Nur keine Sentimentalitäten!“
Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte
2010 Blessing Verlag, 384 Seiten, gebunden, mit über 250 farbigen Illustrationen, nebst einem nicht minder informativen Anhang,
3. Auflage 2013  -  ISBN: 978-3-89667-406-7
22,95 €
 
Weitere Informationen: www.blessing-verlag.de  -  www.donald.org/