Die Künstler und der Krieg
Ausstellung „1914. Die Avantgarden im Kampf“
in der Bonner Bundeskunsthalle Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts
Schon ein flüchtiger Blick in die TV-Programmzeitschriften zeigt, daß Sendungen über den Zweiten Weltkrieg zum täglichen Bestandteil unserer Erinnerungskultur geworden sind. Derartige Features, wie sie von Guido Knopp und anderen produziert und moderiert werden, überlagern massiv die mediale Beschäftigung mit einem weiter zurückliegenden Geschichtsereignis, nämlich mit dem Ersten Weltkrieg, der von Historikern als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ beschrieben wird. Aus Anlaß des Ausbruchs dieses großen Krieges vor fast 100 Jahren, im August 1914, erinnert schon jetzt eine breit angelegte Schau in der Bonner Bundeskunsthalle an Positionen und Tendenzen der Bildenden Kunst unter dem Eindruck des industrialisierten Tötens und massenhaften Sterbens – in einer Zeit des zugespitzten Nationalismus, des übersteigerten Patriotismus und ungezügelter imperialistischer Geltungsansprüche.
Es handelt sich nicht um die erste große Ausstellung zum Thema. Erinnert sei an die spektakuläre, von dem Kunstwissenschaftler Javier Arnaldo organisierte Schau „1914. La Vanguardia y la Gran Guerra“ (Die Avantgarde und der Große Krieg), die im Jahr 2008 im Museo
Von der Vorkriegskunst zur Kunst im Kriege
Im ersten Raum der Ausstellung erinnert eine exemplarische Werkauswahl mit Arbeiten etwa von Picasso und Delaunay, Kandinsky und Jawlensky, Macke und Marc, Russolo und Severini an die „große schöpferische Zeit der internationalen Avantgarden“ (Katalog, S. 37) der Vorkriegsära und an ihre grenzüberschreitenden Verflechtungen. Aber es deuten sich auch Vorahnungen der kommenden Katastrophe an, so bei Alfred Kubin oder Ludwig Meidner, und die Vorstellung, von Feinden umringt zu sein, äußert sich schon vor Kriegsausbruch in Werken beispielsweise von Franz von Stuck, Ernst Barlach und Emil Nolde. Nicht wenige Intellektuelle und Künstler waren anfänglich überzeugt, daß ein Krieg als „reinigendes Gewitter“ unvermeidlich sei, um bürgerliche Verkrustungen aufzubrechen, den Ballast der Vergangenheit abzuwerfen, dem Neuen Bahn zu brechen und den „Materialismus“ durch eine zukünftige Epoche des „Geistigen“ zu überwinden. Der bei Kriegsbeginn grassierende Hurra-Patriotismus war den meisten Künstlern eher fremd; gleichwohl meldeten sie sich aus Pflichtgefühl an die Front – und fielen, so Macke schon im Sommer 1914, Franz Marc 1916.
Die zuvor freundschaftlichen Kontakte zwischen den Künstlern unterschiedlicher Länder, etwa zwischen Franzosen und Malern des Münchner „Blauen Reiters“, kamen mit Kriegsausbruch zum Erliegen, Lehmbruck mußte als Deutscher Paris verlassen, Kandinsky kehrte nach Rußland zurück. Der internationale Kunsthandel brach zusammen. Die Kunst selbst schien eine Zeitlang stillzustehen, hatten die Künstler doch den Malkittel und die Palette gegen die Uniform und das Gewehr eingewechselt. Dort, wo zunächst noch Kriegsbegeisterung geherrscht hatte, ließ angesichts ungeheuerer Zerstörungen und grauenhafter Erfahrungen auf den Schlachtfeldern die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Schwerste Traumatisierungen durch den Stellungskrieg in den Schützengräben, durch verheerende Giftgasangriffe und die vernichtende Wirkung anderer moderner Waffen ließen die Künstler nicht nur innerlich auf Distanz zum Kriegsgeschehen gehen, sondern zu entschiedenen Kriegsgegnern werden, die mit den Mitteln der Grafik, der Malerei und der Plastik deutlich gegen den destruktiven Wahnsinn des Weltkriegs opponierten. Erwähnt seien nur der eindrucksvolle „Gestürzte“ (1915-16) von Wilhelm Lehmbruck, Ernst Ludwig Kirchners „Selbstbildnis als Soldat“ (1915), Max Slevogts Grafikzyklus „Gesichte“ (1917), Willy Jaeckels Mappe „Memento“ (1915) oder Frans Masereels Holzschnittfolge „Debout les Morts“ (Steht auf Ihr Toten; 1917). Je länger der Krieg dauerte, umso schärfer wurde die Kritik und umso unverhohlener die Anklage, so etwa bei George Grosz, dessen „Feder- und Kreidezeichnungen … scharfe Abrechnungen mit dem Bürgertum“ waren und nicht beim Krieg stehenblieben, sondern jene geißelten, „die ihn angezettelt, die ihn getragen haben.“ (Katalog, S. 191) Selbst Paul Klee, der gemeinhin als „unpolitischer Künstler“ wahrgenommen wird, reagierte mit kleinen, subtilen Zeichnungen und Aquarellen auf die Situation der Zeit, allerdings wesentlich verhaltener als andere – eher indirekt und verschlüsselt wie etwa mit dem monochromen Blatt „Ansicht der schwer bedrohten Stadt Pinz“ von 1915.
Perspektiven einer kommenden Nachkriegskunst
Sammelbecken der Kriegsgegner wurde ab 1919 Zürich in der neutralen Schweiz, wo sich der Dadaismus als internationale
1914. Die Avantgarden im Kampf
8. November 2013 bis 23. Februar 2014
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Friedrich-Ebert-Allee 4 53113 Bonn Katalogbuch „1914. Die Avantgarden im Kampf“, hrsg. v. d. Bundeskunsthalle Bonn, Format 24,5 x 28 cm, Hardcover, 352 S. mit 400 farbigen Abbildungen, Preis der Museumsausgabe 39 €
Alle Fotos © Rainer K. Wick
|