Das Weihnachtsfest steht vor der Tür

Ein Brief

von Fritz Reuter

Josef Kriehuber pinx
Fritz Reuter an seinen Vater
 
Dömitz, 20. Dezember 1839 
 
Das Weihnachtsfest steht vor der Tür und klopft mit blaugefrorenen Händen an und bittet um Einlaß; nicht allein jeder, sondern auch jeglicher, ja ich möchte fast sagen jedweder (dies ist wirklich einmal von einem meiner Kommilitonen geschrieben) tritt ihm festlich geschmückt entgegen, reicht ihm die warmen Hände, und jubelnde Herzen schlagen ihm; und wenn es dann empfangen und in die warme, von Wachskerzen und Tannenbaum erleuchtete Stube geführt ist, verteilt es die Gaben, die jeder auf dem Hausaltar niedergelegt hat. Ich empfange es auch wohl freudig; aber doch nicht so, als wenn ich mit Euch einen Reigen schließen könnte und als wenn ich auch etwas auf dem Altare niederlegen könnte; nichts habe ich als Wünsche für Dein und der Schwestern Wohl und die Bitte um Erhaltung Deiner Liebe. Dies wird denn wohl das letzte Weihnachten sein, das ich fern von Euch zubringen muß, wenigstens im Kerker. Heute bin ich ein halbes Jahr hier in D. und so muß der Oberstleutnant jetzt einen Bericht über mein Betragen an die preußische Regierung einsenden; daß dieser ein sehr guter sein wird, leidet keinen Zweifel, und wenn meine Freilassung von demselben abhängt, so könnt Ihr mich spätestens binnen 2 Monaten bei Euch sehen … Wir haben heute eine rasende Kälte und da kein Schnee liegt, denke ich mit Zagen an Deine Kardenpflanzungen. Ich wünsche, daß Du das neue Jahr froh und gesund antreten mögest.
 
Gedenke Deines Sohnes
Fritz 
 
 
Fritz Reuter, * 7. November 1810 in Stavenhagen; † 12. Juli 1874 in Eisenach, saß seit 1833 wegen seiner Mitgliedschaft in der Jenaer Burschenschaft „Germania“ in Dömitz in Festungshaft, als er diesen Brief an seinen Vater schrieb. Wegen Hochverrats zunächst zum Tode, dann zu 30 Jahren Haft verurteilt, wurde er schließlich im August 1840 begnadigt und entlassen.