Auf der Suche nach der Wahrheit

Haruki Murakami - „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Taziki“

von Andreas Rehnolt

Auf der Suche nach der Wahrheit
 
„Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“
Neuer Roman des japanischen Kultautors Haruki Murakami
 
Im Kölner Dumont Buchverlag ist - pünktlich zum 65. Geburtstag des japanischen Kultautors - der neueste Roman von Haruki Murakami erschienen. Das faszinierende Buch erzählt unter dem Titel „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ von der ersten Seite an fesselnd die Geschichte des Architekten Tsukuru Tazaki, eines Mannes von 36 Jahren, der sich daran erinnert, in seiner Jugend schlagartig und für ihn unerklärlich und unerklärt von seinen einzigen vier Freunden verlassen worden zu sein. Eine junge Frau - Sara - in die sich Tazaki verliebt und mit der er eine Liebesnacht verbringt, spürt, daß in dem Mann etwas Ungelöstes steckt, das ihn für wirklich erlebte Nähe unfähig macht.
 
Aus dem Verlagstext: „Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verläßt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt.“
 
Sara bringt Tazaki, der seinen Jugendtraum vom Bahnhöfe-Bauen beruflich realisiert hat, dazu, ihr und damit zugleich sich selbst zu erzählen, wie schmerzlich und unerträglich diese radikale Aufkündigung der Freundschaft durch die anderen vier jungen Menschen für ihn war und nach wie vor ist. Und sie bringt ihn, der sich seinen damaligen Freunden (die alle eine Farbe im Namen trugen) gegenüber immer als farblos empfunden hat, dazu, sich der eigenen unbewältigten Vergangenheit zu stellen und Kontakt zu dem Quartett seiner Jugendzeit zu suchen, um so seine Freiheit für das Jetzt und die Zukunft zu finden.
Zugleich erfährt der Leser viel über das graue, isolierte Leben, das Tazaki führte, ehe er Sara kennenlernte. Es gab ein paar Beziehungen, die aber nie intensiv und echt waren. Es gibt den Arbeitsalltag und es gibt die Träume, die Tazaki immer wieder heimsuchen. In diesen Träumen lebt er exzessiv seine Sexualität aus und in ihnen erscheinen nicht irgendwelche Frauen, sondern die beiden Mädchen, die zu seiner damaligen Clique in der Vaterstadt gehörten. 
 
Sexualität auf beiläufige, schlichte Art und doch eindringlich zu schildern, war schon immer eine Stärke Haruki Murakamis. In „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ macht Herr Tazaki sich schließlich auf die Reise, in der immer wieder der Zyklus von Franz Liszt „Années de Pélerinage“ ertönt. Er trifft die beiden männlichen Freunde, die in der Stadt der Schulzeit geblieben sind und Karriere gemacht haben, ohne dabei wirklich zufrieden zu sein. Und er erfährt von beiden den Grund seines damaligen Ausschlusses. Unfaßbar für ihn, was ihm die Freunde damals unterstellt hatten. Diejenige, die ihn damals beschuldigt hatte, kann er nicht mehr fragen, sie ist tot.
Und so fliegt er - seine erste Flugreise überhaupt - nach Finnland, um die zweite Frau zu befragen. Die Reise endet mit Genugtuung für Tazaki und mit einer seelischen Reinigung die ihn nach all den Jahren des Selbstzweifels erkennen läßt, daß er mitnichten „farblos“ war oder ist. Am Ende, als er mitten in der Nacht Sara anruft, um ihr von seinen Erlebnissen und den Erkenntnissen seiner Reise zu sich selbst zu berichten, eröffnet sich ihm die Aussicht auf ein glückliches Ende. Ein lesenswertes Buch, eine mitunter sehr traurige, aber dennoch hoffnungsfrohe Geschichte.
 
Haruki Murakami - „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Taziki“
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
2013 Dumont-Verlag, gebunden, 318 Seiten - ISBN: 978-3-8321-9748-3 – 22,99 €
 
Weitere Informationen:  www.dumont-buchverlag.de