Apuleius, Balzac – Stoff fürs Kino

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Apuleius, Balzac – Stoff fürs Kino
 
Lang vor dem Film hat es Schriftsteller gegeben, die im Grunde fürs Kino geschrieben haben. Apuleius ist so einer und seine wunderbare Geschichte vom goldenen Esel, ein Buch, das zeigt, daß sich die Menschen viel weniger geändert haben als man gerne denkt. Die Menschen, von denen Apuleius erzählt, sind Menschen, die jeder kennt, sie leben bei einem um die Ecke und manchmal ist man es sogar selbst. Und das, was der Esel mit der ausgebufften Römerin zu treiben hat, kann man noch nicht mal heute in den porno tubes sehen, so abseitig ist es. Aber es ist Kino. Diesen Roman lesen ist, als würdest du in eine Cinecittà-Produktion von 139 n.Chr. gehen, Nero-Brothers quasi, wunderbar! Und Wagner ist auch so einer, der kleine Richard, der diese Fähigkeit hatte, sonst hätte Tolkien doch kein Iota von ihm abgeschrieben. So aber....! Neben der genialen Musik ist es immer wieder toll, seinen Erzählungen aus der Götterwelt zu lauschen, ihren Intrigen zu folgen und sich dabei zu denken: warum ist noch kein Regisseur auf die Idee gekommen, Walhall in den Vorstand des FC Bayern München zu versetzen, die Welten sind einander doch wirklich zu ähnlich, oder?! Und Honoré de Balzac. Seine „Menschliche Komödie“ ist der ultimative Film bevor es den überhaupt gegeben hat.

Ich habe die legendäre Kiste vom Diogenes-Verlag (Sie wissen schon: 40 Bände in der Holzkiste plus ein Supplement-Band, der schiere Wahnsinn!) im Urlaubsgepäck, es wird wohl 1975 oder 76 gewesen sein, wir fahren nach Spanien, Guardamar del Segura. Es gibt kurz nach der Ankunft in der Ferienwohnung direkt am Meer einen kleinen Disput zwischen meiner Frau und mir, also hole ich mir die Kiste, leg mich vor die Wohnung in einen Liegestuhl und fange an zu lesen. Und von da an weiß ich nichts mehr, also von Spanien, vom Meer, von Guardamar und dem Rio Segura. Nichts. Ich war auch nicht mehr da. Ich war Zeitreisender und flanierte im Paris der großen Zeit an der Seite des elenden Lebemenschen Lucien de Rubempré, besuchte Père Goriot, ging im Hause Nucingen aus und ein und sprach César Birotteau Mut zu, als es ihm dreckig ging. Ich meine: ich las in fünf Wochen Urlaub die ganze Menschliche Komödie und es war so, als hätte ich Krieg der Sterne, Herr der Ringe, Harry Potter und Wagners Ring in einem gesehen, besser: verschlungen, nur: es war schöner! Warum? Weil es so Erzähler gibt wie Balzac oder Apuleius oder Heinrich Mann, die dir so intensiv erzählen können, daß du siehst, was sie schreiben. Und du kannst nicht mehr weggucken, so schön ist das.

In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 

© 2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker