„Girls just wanna have fun“

Grimms Märchen „Die zertanzten Schuhe“ in einer zeitgemäßen Bühnenfassung

von Frank Becker

Foto © Theater der jungen Welt Leipzig/Tom Schulze
„Girls just wanna have fun“
 
Grimms Märchen „Die zertanzten Schuhe“
Eingerichtet von Ueli Blum | Musik: Erich A. Radke
 
 
Regie: Kay Link - Musikalische Leitung: Erich A. Radke - Bühnenbild und Kostüme: Olga von Wahl - Choreografie: Bettina Werner - Video: Tilman König
Dramaturgie: Matthias Schiffner - Maske: Rosemarie Ristau
Besetzung: Gösta Bornschein (Hofmarschall), Elisabeth Fues (Iphigenie), Moritz Gabriel (Franzose), Uschi Marr (Alte Frau), Reinhart Reimann (König), David Senf / André Hepke (Prinzen), Anke Stoppa (Isolde), Anna-Lena Zühlke (Isabella), Emanuele Peters (Soldat)
 

Jenny von Droste-Hülshoff, Annettes ältere Schwester, hat den Brüdern Grimm Anfang des 19. Jahrhunderts im entlegenen Münsterland das Märchen von den zertanzten Schuhen erzählt. Die nahmen es als Nr. 133 in ihre Sammlung der Kinder- und Hausmärchen auf. Solche Mä(h)rchen waren Ablenkung an dunklen Abenden vor knisterndem Kamin, waren durchaus eine Sache der erwachsenen Erzähler und wurden zu dieser Zeit durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Nicht selten wurden sie – Sie kennen ja die „Stille Post“ - im Laufe der Zeit vielfach variiert. Waren es in der münsterschen Fassung der Drostes anfangs noch zwölf Königstöchter, die ihren Vater durch ihre heimliche nächtliche Tanzerei in den Wahnsinn trieben, wurden daraus in der sparsameren ostwestfälischen (Paderborner) Fassung der Familie Haxthausen nur noch drei. Klar, daß ein Theater wie jetzt das Theater der Jungen Welt Leipzig, diese Fassung schon aus Gründen des Personals für die Bühne wählt.
Am Dienstag zu Gast im Remscheider Teo Otto Theater spielten die Leipziger vor mit Kindern aller Altersklassen gut besetztem Haus, darunter zwei Remscheider Grundschulklassen, die als Preisträger eines Gestaltungswettbewerbs zum Thema „Schuhe“ vom Theater eingeladen worden waren.


Morgens bin ich immer müde - v.l. E. Fues, G. Bornschein, A.-L. Zühlke, R. Reimann, A. Stoppa - Foto © TdjW/Tom Schulze
 
Die von Ueli Blum modernisierte und von Kay Link inszenierte Fassung der Geschichte von den Schwestern Isabella (Anna-Lena Zühlke), Isolde (Anke Stoppa) und Iphigenie (Elisabeth Fues), die Nacht für Nacht über einen Geheimgang das Schloß verlassen, um sich mit Party-Prinzen des Jetset in einem geheimnisvollen Palast zum Tanz zu treffen, weil der Vater in seinem Staat Musik und Tanz verboten hat, kam spürbar gut an. 1134 Schuhe haben sie schon durchgetanzt, morgens sind sie immer müde, jetzt reicht es. Der Herr Papa Sonnenkönig wünscht Aufklärung, für die er einen hohen Preis aussetzt: die Hand seiner jüngsten Tochter und das Königreich. Doch auch der Preis für die Kandidaten ist hoch: wer es nicht herausbringt, verliert seinen Kopf – Rue de Schafott! Auch der pfiffige Humor erreichte sein Ziel – und die Kinder nahmen die im Original ungeschminkte Märchen-Grausamkeit vom Köpfen der Heiratskandidaten, die das Rätsel nicht hatten losen können, durch geschickte Textbearbeitung im Grunde gar nicht wahr - auch nicht die Bedenkenlosigkeit der drei Prinzessinnen, die ohne Skrupel Leben auf Leben, Kopf auf Kopf für ihr oberflächliches Tanzvergnügen opfern. Das ist auch gut so, denn die Welt um sie herum ist gerade heutzutage grausam genug.


...und ab zur Disco - Foto © Theater der jungen Welt Leipzig/Tom Schulze
 
Die ganze Sympathie gehörte natürlich dem braven Soldaten (Emanuele Peters), der sich der gefährlichen Aufgabe stellt, das Geheimnis der zertanzten Schue zu lösen und der guten Hexe (Uschi Marr), die ihm mit Zaubermantel und –stiefeln dabei hilft. Na, und sie gehörte natürlich auch der Liebe, die schließlich zwischen der ältesten Prinzessin (Elisabeth Fues) und dem Soldaten entsteht und trotz einer Intrige des listigen Hofmarschalls (Gösta Bornschein) letztlich zum glücklichen Ende führt.
Trotz einer Länge von 110 Minuten inkl. Pause folgte das junge Publikum aufmerksam der Handlung. Gespannt wurde verfolgt, wie der junge Soldat der um den Preis der Krone und der Hand einer Prinzessin unter Einsatz des eigenen Lebens das Rätsel löst wie es den Mädchen lange gelingt, den Vater (köstlich: Reinhart Reimann mit Gummi-Reichsapfel) hinters Licht zu führen.
Mit einigen flotten Songs, einem fetzigen Tanzfest samt gelungener Video-Projektion (Tilman König) und Choreographie (Bettina Werner) und tollem Breakdancer, Cyndi Laupers „Girls just wanna have fun“ als Motto und vielen witzigen Ideen - das Boot des Märchens wird durch einen aufgeblasenen Lkw-Schlauch ersetzt, und die Rösser der Prinzen machen Platz für ein veritables Motorrad, mit dem die Prinzessinnen zum nächtlichen Tanzvergnügen brettern – war das Märchenspiel ein glatter Erfolg. Das meinten auch Paula (8) und Meyem (7) von der Goldenberger Grundschule, neben denen zu sitzen der Rezensent die Ehre hatte.


Foto © Theater der jungen Welt Leipzig/Tom Schulze
 
Weitere Informationen:  www.tdjw.de