Der rheinische Fado
Es gibt Tage zum Feiern, Tage zum Lieben, Tage zum In-Die-Kneipe-Gehen (Quatsch! die jitt et immer!) und es gibt Tage zum Übers-Wetter-Schimpfen. Das ganze Jahr über. Auch im Rheinland (und besonders im Bergischen). Nur: im Rheinland gibt es - wie in Salzburg - eine kleine Gruppe feinsinniger Philosophen, die dem Wetter, das wir zur Zeit haben, ungeahnte Seiten abgewinnen. Sie schimpfen nicht, sondern setzen sich in ein Cafè, legen eine Zeitung vor sich hin und schauen zum Fenster hinaus. Der Regen nieselt leise an die Scheibe, die Regentropfen wirken mit einem Mal kleiner, weicher als die, welche draußen noch ärgerlich waren. Beinahe behutsam streicheln sie die Schirme und Mäntel, fallen sacht auf Dächer. Unaufdringlich verhüllen sie den Himmel und tauchen das Rheinland in jenes berühmte Zwielicht, das einen die Zeit vergessen läßt. Zehn Uhr früh oder fünf Uhr nachmittags, was soll's? Und ganz langsam nimmt eine Stimmung von uns Besitz, die es nur hier gibt: es ist der rheinische 'Fado'. Aber nicht so ein todessehnsüchtiger wie in den portugiesischen Balladen. Nein. Der rheinische Fado ist dieses Laufen auf Watte: alles beginnt zu schweben, etwas träge und verschwommen, die Welt in einem und um einen hat einen kleinen feuchten Silberschleier, alles wird leiser und leichter, im Kopf ist ein einziges „Och jo“ und die alltägliche Hektik wird zu einer Samba, die sich in uns ausbreitet. Eine Samba, die mit rauchiger Stimme und zarter Melancholie uns so ausfüllt, daß es uns ganz wohlig wird. In so einer Stimmung ist „küste hück net, küste morje“ geboren worden und „och Liebchen, wie isset? Küste jet bei mich bei?“. Und im Hinterkopf spielen die Bläck Fööß immer wieder eines ihrer schönsten (und leichtesten) Lieder: En Kölle es et am räne. Wer das nicht nachfühlen kann, wird die Rheinländer nie verstehen können. Also dann, ein leises Prost op dä rheinische Fado!
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
© 2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter Redaktion: Frank Becker |