Kann teures Zeug noch kraus sein?

Wuppertal hebt „Universums-Stulp“ auf die Opernbühne – arg hoch

von Martin Hagemeyer


Kann teures Zeug noch kraus sein?

Wuppertal hebt „Universums-Stulp“ auf die Opernbühne – arg hoch

Der Universums-Stulp. Eine musikalische Bildgeschichte in drei Heften
nach dem gleichnamigen Roman von Eugen Egner.
Musik: Stephan Winkler. Libretto: Eugen Egner, Stephan Winkler, Thierry Bruehl.
 
Inszenierung: Thierry Bruehl - Musikalische Leitung: Peter Rundel – Raum: Bart Wigger – Raumausstattung: Tal Shacham – Kostüme: Wiebke Schlüter – Filme: Philippe Bruehl – Klangregie: Paul Jeukendrup – Dramaturgie: Johannes Blum - Fotos: Uwe Stratmann
Mit: Olaf Haye, Andreas Jankowitsch, Uta Christina Georg, Michaela Mehring, Hendrik Vogt, Dorothea Brandt, Annika Boos, Joslyn Rechter, Christian Sturm, Martin Ohu, Katharina Greiß.
Es spielt: Ensemble musikFabrik NRW.
 

Der hat ja gar nichts genommen!“ Der Rezensent schwankt. Nicht etwa weil er unter dem Einfluß bewußtseinsverändernder Substanzen stünde – obwohl das hervorragend passen würde zur Uraufführung „Der Universums-Stulp“ am Opernhaus Wuppertal, basierend auf dem Roman von Eugen Egner. Anlaß zum Schwanken gibt beim Versuch, das Gesehene Revue passieren zu lassen, vielmehr die Erkenntnis: Traugott Neimann, dieses Mischwesen aus Faust und Nihil Baxter, hat für diese Handlung nicht etwa besonders spezielles Zeug eingeworfen – eben dem nämlich mußte er gleich zu Beginn schmerzlich entsagen, um sein Leben zu retten.

Genügen würde zum Inhalt im Grunde die Feststellung, daß der Dichter Neimann jedes Mittel austestet, um Inspiration zu finden – bekannte (vom obskuren Pakt bis zum riskanten Experiment), am liebsten aber: benebelnde. Die grotesken Details aus Egners Vorlage einzeln aufzuzählen, die „gestörten Ganghofer-Wesen“, Neimanns strategische Verwandlung in einen Brotaufstrich: Eigentlich sinnlos. Dramaturg Johannes Blum tut es zur Einführung trotzdem. Und zwar eben ohne jeden Hinweis dazu, ob das alles wirklich enorm hochwertiger Stoff sein soll – oder doch wahlweise eher krauses Zeug. Krauses Zeug kann so toll sein, ohne 200.000 Euro von der Kunststiftung NRW zu brauchen; zum Beispiel in Egners Bild- und Text-Beiträgen im Satiremagazin „Titanic“ und dessen, vielleicht darf man sagen: Wuppertaler Tochter-Blatt „iTALien“. Aber wer käme auf die Idee, Tollheiten nachzuerzählen, eine Helge-Schneider-Story zum Beispiel? Eben.


Der Aufwand für die „musikalische Bildgeschichte in drei Heften“, inszeniert von Thierry Bruehl,  ist absolut abendfüllend: Vier Schauspieler haben vor einem Jahr den Text minutiös eingesprochen, Komponist Stephan Winkler daraus die Partitur gefertigt –  nach „exakter Transkription“ des Gelesenen. Der freirhythmischen Musik leiht das Opernensemble seine Stimme und das innovationsfreudige Ensemble musikFabrik NRW sein instrumentales Können. Laut Expertenurteil ist Material wie dieses übrigens auch für Musikprofis besonders schwer zu fassen. Das beruhigt etwas. Die Regie setzt Egners Bildwelten liebevoll für die Bühne um, läßt Bücher durch die Luft schweben und  umgibt alles mit handverlesenen Effekten – zum Beispiel den rasanten Filmeinspielungen (Philippe Bruehl), die synchron zu Neimanns Bewegungen abrupt die Richtung wechseln. Als tanzte alles nach seiner Pfeife (oder halt dem, was dann doch drinsteckt).


 
Zweifellos ist es lobenswert, ja unverzichtbar, wenn Kultur sich Irritation leistet – ganz besonders in einer so ehrfurchtheischenden Kunst wie der Oper. Gut möglich übrigens, dass solcher Mut zum Experiment allzu bald schon Mangelware  bei den Wuppertaler Bühnen sein wird. Dennoch bleibt Unbehagen beim „Stulp“, und das nicht weil man, wie Freunde trösten, wohl einfach noch nicht oft genug gekifft hätte. Irgendwann sagt eine Ente, als gäbe es nichts Alltäglicheres: „Ich zeige Ihnen den Ablauf in einer Simulation“ – und ganz gleich worum es geht dabei, möchte man bei derlei höherem Blödsinn am liebsten einfach mit größter Sympathie vor sich hinschmunzeln. Die Groß-Förderung und Premieren-Prominenz samt begeisterter Stadtspitze im Rücken wagt man’s nicht ganz.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de