Man verliert ja nur, was man besessen hat

Ingeborg Wolff inszeniert „Kabale und Liebe“

von Frank Becker

Robert Flanze - Foto © Martin Mazur
Man verliert ja nur, was man besessen hat,
und dein Herz gehört deinem Stande.
 
Bestnoten für Präsident von Walter und Lady Milford –
André Klem und Mirca Szigat beherrschen die Bühne
 
 
„Ich habe dem Fürsten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten -
ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist -
über welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch über den Spiegel ging.“
(Lady Milford)
 
 
Bereits in Ingeborg Wolffs „Romeo und Julia“ im TiC als tragisches Liebespaar bewährt, rühren Robert Flanze und Lara Sienczak in Ingeborg Wolffs Inszenierung des Schiller-Dramas „Kabale und Liebe“ erneut an Herz und Gemüt. In dem noch Schillers Jugendfeuer spiegelnden „Bürgerlichen Trauerspiel“ können sie mit vollen Händen aus dem Königskinder-Motiv schöpfen - und das endet nun mal fatal. Der damals 24-jährige, noch bürgerliche Friedrich Schiller (geadelt wurde er erst 1802) beruft sich in dem vor 230 Jahren uraufgeführten Stück auf gleich zwei große Kollegen und ihre thematischen Parallelen: William Shakespeares „Romeo und Julia“ und Gotthold Ephraim Lessings „Emilia Galotti“. Mit der Tragik unerfüllter adoleszenter Liebe ist auf dem Theater immer das Publikum zu erreichen und zu bewegen, deshalb lassen sich gesellschaftskritische Ansätze auch so wunderbar darin verpacken.
 
Hier ist es die deftige Abrechnung mit Standesdünkeln gleich von zwei Seiten, gegen die der mit den Idealen der bevorstehenden Französischen Revolution von 1789 schon seinerzeit sympathisierende Schiller wie Lessing die Waffe des Wortes einsetzte. Zwischen der bürgerlichen Luise Miller (angemessen schwärmerisch, schließlich doch angepaßt: Lara Sienczak), Tochter eines Musikers und Major Ferdinand von Walter, adliger Offizier und Sohn eines fürstlichen Präsidenten (eher existenzialistisch als idealistisch: Robert Flanze) entbrennt eine heftige Liebe. Sie, knapp 16 und er, gerade mal 20, begehren damit gegen die Ordnung auf. Eine Ordnung, die zumal von den Eltern beider verteidigt wird. Weder möchte Präsident von Walter (wuchtig präsent, brillant fies: André Klem), der dynastische Heiratspläne für seinen Sohn verfolgt, eine Liaison mit dieser bürgerlichen „Nutte“, noch will Luises Vater (etwas zu hölzern: Joachim Rettig), bürgerlich standesbewußt, daß seine Tochter die „gottgegebene“ Ordnung der Stände verletzt.
Das kann nicht gut gehen, wenigstens nicht bei Hitzkopf Schiller. Um die Liebe der beiden jungen Leute zu hintertreiben spinnt des Präsidenten Sekretär Wurm (gemein, aber nicht teuflisch genug inszeniert: Alexander Bangen), zumal selber an dem jungen Blut interessiert, eine böse Kabale. Luise soll Ferdinand verdächtig gemacht werden, damit der Weg für eine Ehe mit Lady Milford, der abgelegten Mätresse des Fürsten (berührend: Mirca Szigat) frei wird. Die Intrige wirkt, der rasend eifersüchtige Ferdinand, dessen Liebe keiner Belastung standhält, sieht in Luise die Hure, zu der sein Vater sie machen will – und bringt sie und sich um.


v.l.: Alexander Bangen, André Klem - Foto © Martin Mazur
 
Als Werkzeug für diese Intrige dient der schwatzhafte Hofmarschall von Kalb – leider vergibt Björn Tappert zu aufgesetzt für nur vordergründige Lacher die Chance, diese köstliche Paraderolle zum angemessenen Kabinettstück zu machen, ebenso wie Martina Wortmann ihre Möglichkeit, Schillers deftigen Witz in der Figur von Millers Frau umzusetzen. Von leisem Humor Wolffs Streiflicht zu den „prächtigen Büchern, die der Herr Major ins Haus bringt“, die allesamt Reader´s Digest Auswahlbände, literarischer Ramsch sind. Eine Ohrfeige fürs tumbe Bürgertum.
Aber dann gibt es ja noch Mirca Szigat, die den Ton der an politischem Mißbrauch, Verrat und Lebenslügen leidenden Lady Milford trifft, eine schöne, stolze Frau, die sich dennoch unter verzweifeltem Einsatz eines exquisiten Negligés vor dem unreifen Sproß des Präsidenten erniedrigt, um das Letzte zu retten. Das bewegt, hinterläßt Eindruck. Die Milford gehört damit zu den stärksten Charakteren der Inszenierung, zeigt sie doch auch bei Schiller die edelste Haltung der dramatis personae. Und es gibt den Präsidenten von Walter, durch Lüge, Fälschung und Bestechung ins Amt gelangt (wie aktuell!) von André Klem in Sprache, Gestus und Haltung hinreißend verkörpert. Er beherrscht die Bühne, ein Genuß, ihm zu folgen, wenn immer er seinen Auftritt hat. Mit ihm, Mirca Szigat und Torsten Kress als Moralinstanz in der nicht unwichtigen Nebenrolle als Milfords Kammerdiener, sowie dem begabten Alexander Bangen punktet Ingeborg Wolffs Inszenierung.
 

v.l.: Mirca Szigat, Robert Flanze - Foto © Martin Mazur


Die nächsten Vorstellungen gibt es morgen, 14.2. und Samstag, 15.2.2014
Weitere Informationen: www.tic-theater.de