Menschlichkeit?

Bei Olympia Fehlanzeige.

von Peter Bilsing und Frank Becker

© Hans-Joachim Uthke

Menschlichkeit?
Bei Olympia Fehlanzeige.
 
Das Internationale Olympische Komitee, mittlerweile zu Recht von kritischen Journalisten als ein Sammelsurium von überwiegend weltfremden Tatter-Greisen mit immer noch abstrusen Moralvorstellungen sowie geradezu perversen Welt- und Menschenbildern verhöhnt, macht mal wieder unrühmlich Furore.
 
Nicht über die Menschenrechtsverletzungen in Russland, auch nicht über die staatlich gelenkten Mafia-Methoden beim Bau der Olympischen Anlagen, die rücksichtslose Umweltzerstörung in Sotschi und Umgebung oder die Behandlung vom Homosexuellen bzw. Dissidenten regte man sich auf - Nein !! - man maßregelte jüngst norwegische Sportlerinnen, weil sie Gefühl, Ehre und Anstand zeigen!
Sie besaßen die „unfaßbare Frechheit und Dreistigkeit“, wegen des plötzlichen tragischen Todes des Bruders einer Teamkollegin mit einem Trauerflor beim Langlauf zu starten. Damit zeigten sie Humanität, Teamgeist, Solidarität und Mitgefühl. Werte, welche dem wahren olympischen Geist entsprechen, doch im Kontext mit dem Milliarden-Konzern „Olympische Spiele“, dem es noch um Geld und Umsatz geht, nur noch traurige Nostalgie sind. Mehr solche feinen Züge täten dem Sport – und nur um den darf es hier gehen – gut.
Doch genau das  Die TAZ schreibt dazu: „Über seinen Sprecher Mark Adams ließ das IOC mitteilen, die Sportler sollten einen besseren Platz finden, um ihre Trauer auszudrücken. Die Funktionäre berufen sich dabei auf Regel 50 der IOC-Charta: „Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda ist an den olympischen Stätten ... untersagt.“ Mit derselben Begründung verbot das IOC in Sotschi auch Aufkleber, die an den Tod der verunglückten kanadischen Ski-Freestylerin Sarah Burke erinnern. Eine Rüge für die norwegischen Langläuferinnen wird für das IOC nun aber zum Politikum.“
Die erste Forderung der unfaßbar dummen Funktionäre lautete sogar auf Aberkennung der Medaillen; nun gibt es „nur“ einige tausend Euro Strafe. Der Berliner Tagesspiegel schreibt: „Der Zorn der Norweger richtet sich vor allem gegen IOC-Mitglied Gerhard Heiberg. Der Norweger hatte die harte Linie des IOC verteidigt und das Totengedenken als „unpassend“ bezeichnet.“  „Wir müssen Zeichen setzen!“, hatte Heiberg getönt und weiter: „Die Olympiade darf nicht politisch oder demagogisch bzw. zu Propangandazwecken mißbraucht werden." Wie bitte? Könnten Sie das mal Herrn Putin sagen? Aber das traut sich von dieser großmäuligen, machtgeilen Männer-Bande ja keiner.
 
Sollte uns das irgendwie zu denken geben? Wäre das nicht endlich mal ein Grund, für alle (!) Olympiateilnehmer, nun geschlossen mit Trauerflor anzutreten)? Dafür gäbe es im Zusammenhang mit Olympia im Zarenreich mehr als nur eine Handvoll von Gründen. Was für ein mächtiges Zeichen der Solidarität wäre das gewesen. Hätte man dann vielleicht wegen Disziplinlosikgeit die Olympischen Spiele, die unter solchen Bedingungen ihren Namen nicht mehr verdienen, abgebrochen?
Aber Leute ..., das kann uns doch nicht interessieren - wir sind doch Erster im Medaillenspiegel. Da werden wir doch nicht…
 
Dabei hatten die Frauen ohnehin in der Historie der Olympischen Spiele stets ihre Probleme. Waren sie 1896 erst gar nicht zugelassen, durften bei späteren Spielen zunächst mal nur die von ihren einflußreichen Männern geförderten betuchten Damen in den privilegierten Sportarten der Reichen, wie Golf, Tennis oder Bogenschießen antreten.
Inzwischen, nach über 100 Jahren der Geschichte der Olympischen Spiele der Neuzeit, sind Frauen weitere Sportarten bei Olympischen Spielen erlaubt, auch zu den lange als gesundheitsschädlich für den schwachen Körper der Frau angesehenen Ausdauerdisziplinen wie dem Marathonlauf (Zulassung 1984) bzw. Skispringen heute. 1996 in Atlanta traten sogar schon erstmals Frauenteams im Fußball an.
Trotzdem dürfen die Frauen in Sotschi nur auf der kleinen Schanze ran, denn immer noch tosen irgendwo in den Windungen der Synapsen der greisen, und wie die Presse ja nachwies, nicht nur gelegentlich bestechlichen olympischen Klapperia-Honoratioren fehlgeleitete Gedanken wie „Beim Skispringen kann die Gebärmutter platzen“ - so jedenfalls lautete einst eine offizielle Äußerung. In ZDF Sport ist dazu zu lesen: „… ist es noch gar nicht so lange her, daß Spitzenfunktionäre die mutigen Mädels mit der abstrusen Begründung ablehnten, daß bei der Landung die Gebärmutter platzen könne. Und daß die Sprunganzüge maßgeschneidert für die Skispringerinnen mit Platz für Busen und Po sind, ist noch ziemlich neu. Vor ein paar Jahren mußten die Mädchen noch mit den Männer-Anzügen springen.“
 
Lassen wir es für dieses Mal dabei. Es wäre noch weit mehr über das verkommene System „Olympia“ und sein Einknicken vor der Macht und von männergemachten selbstherrlichen Vorschriften zu sagen. Gönnen wir den Sportlerinnen und Sportlern ihre hart errungenen Erfolge und strafen wir die vertatterte Bach-Bande mit Verachtung.