Wahre (?) Kriminalfälle - infam schlecht erzählt

Reinhard Bottländer - „Infam - und tödlich!“

von Frank Becker

Wahre Kriminalfälle
- infam schlecht erzählt
 
Die Mordfälle, die der pensionierte Kriminalhauptkommissar Reinhard Bottländer in seinem Buch „Infam – und tödlich“ erzählt, klingen und sind sicher auch zum Teil durchaus spektakulär, aber seit jeher und besonders heutzutage zumindest in den Ballungszentren der Städte leider beinahe das tägliche Brot eines jeden Polizisten. Jeder Schutzmann und jeder Fahnder muß sich an vorderster Front mit Tod und Elend, menschlichen Abgründen, Verbrechen und Verbrechern herumschlagen und jeder Mordermittler hat sich mit Totschlägern, Psychopathen, Lügnern und anderen abscheulichen Figuren der blutigen Palette der Kriminalität zu befassen.
„Ein psychiatrischer Frauenmörder versetzt eine Stadt in Angst und Schrecken. Der Mörder eines Porno-Fotografen versucht einen bösen Trick. Eine Mutter sorgt sich um ihre Kinder. Dafür müssen zwei Ehemänner sterben. In einer Silvesternacht wird ein junger Mann erschossen mit Pappe. Ein brutaler Sexualtäter wird nach nur einem Jahr wieder in Freiheit entlassen. Er ermordet eine Mutter und ihre jugendliche Tochter. Seine Festnahme wird zu einer tödlichen Gefahr. Diese und andere außergewöhnliche Kriminalgeschichten basieren auf wahren Fällen“, heißt es reißerisch im Klappentext zu Bottländers Buch und soll Neugier (oder nur Gier?) wecken.
 
„Psychiatrischer Frauenmörder“, „Angst und Schrecken“, „Porno-Fotograf“, „erschossen mit Pappe“, „brutaler Sextäter ermordet eine Mutter und ihre jugendliche Tochter“ – das klingt doch arg nach Blöd-Zeitung und macht eigentlich schon etwas mißtrauisch. Dennoch ein wenig neugierig – man ist ja in puncto Kriminalgeschichte u.a. von Autoren wie Anselm von Feuerbach, Frank Arnau, Manfred Drews, William M. Kunstler, Ferdinand von Schirach und dem Pitaval mit seinen vielen Bänden durchaus Gutes gewöhnt - nimmt der Rezensent das viel versprechende Bändchen zur Hand. Könnte ja trotz Klappentext gelungen sein. Doch je weiter die immer unerquicklicher werdende Lektüre gedeiht, desto mehr drängt sich die Frage auf: Ja hat denn da nie jemand Korrektur gelesen, lektoriert oder das Herz gehabt, dem Autor abzuraten? Kaum platter könnte man erzählen, kaum peinlicher sich selbst zum stillen Helden stilisieren, kaum stümperhafter Dialoge anlegen. Mit stets belehrend erhobenem Zeigefinger, tollen Fachbegriffen sowie Mordmethoden und Spurenlage klugscheißert der Autor einher, als habe er und nur er die Weihen der kriminalistischen, kriminologischen und kriminalpsychologischen Wissenschaften bekommen. Unerträglich das Schwelgen in Groschenroman-Details („Sie erbebte, als seine Finger und seine Lippen sanft über ihre Brüste und ihren gesamten Körper strichen. (…) Sie stemmte sich ihm entgegen, stöhnte und keuchte, grunzte und schrie vor Verlangen, bis…“) und genauso unerträglich die sich wie ein roter Faden durch die Kolportagen ziehende Selbstbeweihräucherung. Über den Kitsch süßlicher Reflexionen („Es war Sommer 1974 und ich lebte noch. Was für ein schöner Tag.“) wollen wir gar nicht weiter reden.
 
Gottseidank fühlt sich nicht jeder Polizist berufen, seine wenn auch möglicherweise mitunter traumatischen Berufs-Erlebnisse in Prosa zwischen zwei Buchdeckel zu quetschen. Reinhard Bottländer hat es leider getan.
Es heißt, Bottländer habe sich bereits in den achtziger Jahren einen Namen als Kinder- und Jugendbuchautor gemacht. Dabei hätte er bleiben sollen. Für „Infam“ jedenfalls verleihen wir den Musenblattschuß.
 
Reinhard Bottländer – „Infam – und tödlich!“
© 2014 Brockmeyer Verlag, 215 Seiten, Broschur – ISBN 978-3-8196-0944-2
12,90 €
 
Weitere Informationen: www.brockmeyer-verlag.de