Fahrstuhl zum Schafott

Landesbühne Detmold mit Aki Kaurismäkis „Vertrag mit meinem Killer“

von Frank Becker

Foto © Landestheater Detmold / Klaus Lefebvre
Fahrstuhl zum Schafott
 
Aki Kaurismäkis „Vertrag mit meinem Killer“
 
 

Regie: Andreas Nathusius - Ausstattung: Günter Hellweg - Dramaturgie: Christian Katzschmann - Licht: Eva-Nadin Krischok
Besetzung: Henri Boulanger: Markus Hottgenroth - Margaret: Ewa Rataj - Killer: Jürgen Roth - Kauriskmäki 1: Stephan Clemens - Kaurismäki 2: Christoph Gummert - Kaurismäki 3: Philipp Baumgarten

Henri Boulanger (wunderbar schwermütig: Markus Hottgenroth), Franzose in London, keine Freunde, keine Familie, keine Besitztümer, verliert nach 15 Jahren seine Anstellung bei den Wasserwerken. Perspektivlos und des Lebens überdrüssig will er sich umbringen, scheitert aber auf kuriose Weise bei allen Versuchen, dies durch Erhängen, Ersticken oder durch Gas selbst zu bewerkstelligen. Schließlich engagiert er in einer Spelunke über Mittelsmänner einen Auftragsmörder, der ihn um die Ecke bringen soll.
Aki Kaurismäki hat 1990 mit„I hired s contract killer“ frei nach Jules Vernes „Die Leiden eines Chinesen in China“ seinen wohl bekanntesten Film gedreht, Michael Bodmer hat eine pointierte deutsche Bühnenfassung dazu besorgt, die Andreas Nathusius - soviel schon hier - für das Landestheater Detmold 2013 äußerst gelungen in Szene gesetzt hat. Am vergangenen Freitag gastierte die hervorragende Inszenierung vor handverlesenem Publikum (will sagen: vor gerade mal 100 Zuschauern) im Remscheider Teo Otto Theater.
 
Nathusius baut vor der phantastischen musikalischen Cool Jazz-Kulisse von Miles Davis´ Filmthema aus „Fahrstuhl zum Schafott“ in einer schwarzen Guckkasten-Bühne (Günter Hellweg) mit den konsequent schwarz/weißen Bildern einer Graphic Novel die düstere Atmosphäre des Film noir auf, setzt parallel geschickt auf die gekonnte scheinbare verbale Trivialität von Hardboiled-Romanen Carter Browns oder Dashiell Hammetts und konterkariert die neblige Tristesse mit köstlicher Ironie. Vorzügliches Werkzeug nicht nur für den Rahmen sind die drei virtuosen „Kaurismäkis“ (Stephan Clemens, Christoph Gummert, Philipp Baumgarten), die erzählend, darstellend, auf offener Bühne umbauend, den Ablauf komplett und pointenreich illustrieren, in –zig Rollen spielen und erklären. Amüsiert läßt sich der Zuschauer knapp zwei Stunden lang durch die hanebüchene Geschichte führen, die mit haarsträubenden Wendungen nicht spart.


v.l.: Stephan Clemens (Kaurismäki 1), Markus Hottgenroth, Ewa Rataj - Foto © Landestheater Detmold / Klaus Lefebvre
 
Als nämlich Henri die wie er einsame Blumenverkäuferin Margaret (mit Ewa Rataj - hinreißend weiblich und gekonnt Klischees karikierend - perfekt besetzt) kennenlernt, erlischt mit der aufkeimenden Liebe sein Todeswunsch – doch der Killer (bedeutsam schweigend in tragischer Rolle: Jürgen Roth) ist bereits auf seiner Spur. Der Auftrag kann nicht storniert werden, die Mittelsleute sind nicht mehr auffindbar. Das sechsköpfige Ensemble liefert mit einfachsten Mitteln, doch unerhört witzig und konzentriert, auch dank vieler Türen und perfekter Lichtregie (Eva-Nadin Krischok), sowie ohne je den Spannungsfaden reißen zu lassen turbulente Verfolgungen, harten Krimi, zarte Momente, stille Bilder (á la Ulf K.) und Dramatik in Wohnungen, Pubs, Hotels, auf Bahnhöfen und in Bussen, in Büros und Lobbys. Sogar eine Busfahrt durch die nächtliche Stadt wird zum Vergnügen des Publikums sichtbar.
Es wird, es muß ein glückliches Finale geben. Nathusius markiert im Schlußbild das Ende der Düsternis mit dem zweiten Farbtupfer seiner brillanten Inszenierung (der erste waren Margarets Lippen): Margarets rot lackierten Fingernägeln auf Henris dunkelgrauem Mantel. Chapeau!


Jürgen Roth - Foto © Landestheater Detmold / Klaus Lefebvre
 
Weitere Informationen:  www.landestheater-detmold.de