Karl Kunz
Werke des Augsburger Malers und Graphikers
im Wuppertaler Von der Heydt-Museum
1. April – 8. Juni 2014 Die Ausstellung zum Werk des Augsburger Malers Karl Kunz (1905-1971) zeigt das vielseitige und umfangreiche Werk eines Künstlers, der zu Lebzeiten nie die verdiente Anerkennung erhielt. Seine Bilder und Zeichnungen, die sich keiner bestimmten Kunstrichtung zuordnen lassen, jedoch augenzwinkernd, mal verschlüsselt , aber auch offensichtlich Künstler und Literatur des 20. Jahrhunderts zitieren, weisen besondere Originalität und überbordende Fantasie aus, wie ab Sonntag die Schau im Wuppertaler Von der Heydt-Museum anhand von rund 50 Werken belegt. Es ist eine Präsentation von graphischen Arbeiten von dynamischem Strich und Gemälden in opulenten Farben voller Versatzstücke aus den Œuvres Pablo Picassos, Giorgio di Chiricos, Max Beckmanns, Salvador Dalis, Zitaten von Max Ernst und Richard Hamilton bis hin zu Tom Wesselmann und Antonio Vargas.
Karl Kunz wurde bereits 1933 von den Nazis als „entarteter“ Künstler verfemt und von seiner Assistentenstelle an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle entlassen. Er malte heimlich und unerhört mutig in der inneren Emigration weiter. Seine vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Bilder weisen schon die für ihn typische surreale Mehrdeutigkeit auf und zeugen von einer tiefen Verunsicherung und Vorahnung von Unheil. Kunz entwickelte komplexe Figurenszenen, die in kulissenhafte Raumsituationen eingebettet sind. Verschiedene Holzfurniere, Bretter und gedrechselte Formen tauchen als Bildelemente auf: Sie sind angeregt durch die Werk- und Materialwelt des elterlichen Furnierhandels. Während des Zweiten Weltkriegs war er Sanitäter beim Sicherheits- und Hilfsdienst in Augsburg. Durch ein Herzleiden wurde er nicht für den Kriegsdienst herangezogen.
Sein Bild „Jongleure“ (1938) begrüßt den Zuschauer im ersten Raum. Die Figuren jonglieren Bälle und Kegel, ihre Bewegungen wirken dabei seltsam leblos, fast wie eingefroren. Dort ist auch das bedrückende, den Endzeitgedanken des expressionistischen Programmgedichts „Weltende“ von Jakob van Hoddis („… Dachdecker stüzen ab und gehen entzwei“) bildlich aufnehmende „Deutschland erwache!“ von 1942 (s.o.) zu sehen. Der zweite Raum der Ausstellung ist den Werken gewidmet, die während der Kriegsjahre und danach entstanden. Die Schrecken des Krieges übertrug Kunz in surreal verschlüsselte Bildkompositionen, in denen sich Realität und Imagination, Figürliches und Abstraktes durchdringen. Teilweise nimmt Kunz in einzelnen Motiven und Figurengruppen Bezug auf die Kunst Picassos, vor allem auf dessen Bild „Guernica“. Das 1946 entstandene Bild „Ganymed“ bringt mit der Anspielung auf den antiken Götterliebling, der von Zeus auf den Olymp entführt wurde, nicht nur die Hoffnung auf einen
Raum drei ist dem brillanten Zeichner Karl Kunz gewidmet und seinen Arbeiten auf Papier der Jahre 1951 bis 1969. In der Zeit entstand der Zyklus „Einundsechzig Illustrationen zum Inferno der Göttlichen Komödie des Dante Alighieri“, in dem er Dantes Schilderung seiner visionären Wanderung durch die Reiche des Jenseits in fantastisch-imaginäre Bildwelten übertrug. Seine schnell gezeichneten brillanten Aktzeichnungen beweisen dagegen in ihrer Dynamik fast schon kalligraphischen Schwung. Teilweise bildeten seine Zeichnungen, die häufig weibliche Akte zeigen, Vorlagen für seine Gemälde, in denen der Eros im Laufe der Zeit immer mehr Bedeutung erhielt, nicht
In dem großen Raum vier vereinen sich zum Teil großformatige Bilder verschiedener Schaffensphasen. Auf der Suche nach neuen künstlerischen Wegen versuchte Kunz, vielleicht als Kontrast zu seiner Todessymbolik, das „Mysterium des Lebens“ darzustellen. Mit seinem Bild „Liebespaar“ (1948), das in seiner surreal-poetischen Stimmung an Chagall erinnert, nahm er 1954 an der Biennale in Venedig teil. Die Komposition „Karneval“ (1949) spielt mit neu erfundenen Gestaltungsformen der Moderne. In den 1950er Jahren fand Karl Kunz immer mehr zu einer neuen Expressivität, die sich in einer komplexen, surreal geprägten Bildwelt niederschlug. Seine Ausflüge ins Unbewußte finden Ausdruck in verrätselten Bildern wie „Maschinenstadt“ (1953), „Wolfgangs Schmetterlinge“ (1954) und „Toteninsel“ (1957). In seinem monumentalen „Medea“-Triptychon“ (1954) widmet sich Kunz dem griechischen Mythos in der vom kirchlichen Altar übernommenen Bildform und verleiht ihm dadurch sakrale Bedeutung. Religiöse, aber auch von Erotik durchtränkte Themen wie in „Hure Babylon“ (1958), die „Kreuzigung“ (1959) oder „Tanz der Chimären II“ tauchen in seinem späteren Werk häufiger auf. Unübersehbar häufig stellt Kunz das männliche Glied in allerlei Aggregatzuständen dar, was auf eine gewisse Besessenheit hindeutet.
Auch wenn Kunz‘ Bilder expressiv wirken, entstanden sie nicht spontan, sondern waren meist das Ergebnis einer konstruktiven Gliederung, die vor allem in den Bildern ab 1960 hervortrat. Architektonische Bildelemente verknüpfen Orte der Wirklichkeit und Orte der Vorstellung wie in „Haus des Schlächters“ (1960). Im Zuge der allgemeinen Hinwendung zur Abstraktion schenkte ihm die Kunstszene der damaligen Zeit nur wenig Beachtung. So hielten im Laufe der 1960er Jahre zunehmend Ironie und eine gewisse Aggression, wohl auch eine Reaktion auf seine Vereinsamung und die Leiden des Alters, Einzug in das Schaffen von Karl Kunz. Er übernahm kombinatorische Bildtechniken der Pop-Art und setzte sich ironisch mit Aspekten der Konsumwelt auseinander. In dem Bild „Dem Wahren Schönen Guten“ (1963) verwendete er collagenhaft Motive mit hoher öffentlicher Bedeutung, wie z.B. Fotografien von der Ruine der Alten Oper in Frankfurt am Main mit Magazinfotos und –zeichnungen nackter Frauen, die sich durch üppige Brüste auszeichnen – er verwendet u.a. eine Zeichnung von Antonio Vargas, Centerfolds aus dem „Playboy“ und ein Foto von Claudia Cardinale – und er zitiert die Athletenfigur aus Richard Hamiltons, Collage, 'Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?' (1956).
Ganz zum Schluß kommt auch noch Tom Wesselmann ins Spiel, dessen Pop Art er mit „Stillleben“ (1970) eher vorwegzunehmen scheint als ihn zu zitieren.
Seine späten Bilder kommentierte Kunz 1965 so: „Kurz am explodieren. Insofern sind sie immer noch gesund, wenn auch die Themen immer scheußlicher werden. Aber das Leben führt mir keine Idyllen zu, sondern ein Irrenhaus – in dem auch ich meine Rolle zu spielen habe – und versuche, diesem Irrenhaus, dieser Unwirklichkeit ein Bild zu geben.“
Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de
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