Sollten Frauen Witze erzählen? (3)

von Sissi Perlinger

© Sissi Perlinger
Sollten Frauen Witze erzählen? (3)
 
Frauen mit 'ner großen Klappe signalisieren sowohl für Weibchen als auch für Männchen Gefahr. Männchen denken: »Die will witziger sein als ich.« Und von einer Frau übertrumpft zu werden ist die größte Niederlage fürs männliche Ego. Weibchen denken: „Die will sich in den Vordergrund drängen; die meint wohl, sie ist was Besseres. Womöglich angelt die sich auch noch das Alphatier aus der Gruppe.“ Sich den potentesten Versorger und Beschützer vor der Nase wegschnappen zu lassen, das ist das größte Waterloo für den weiblichen Überlebensinstinkt. Und unter Frauen bleibt man seit Jahrhunderttausenden lieber im Schutz der Gruppe und macht sich kleiner als man ist, um Stutenbissigkeit und Zicken kriege zu vermeiden.
Außerdem darf man folgenden Nebeneffekt nicht außer Acht lassen. Erntet der Witz der kleinen Angestellten mehr Lacher als der vom Chef, fühlt der sich auf den Schlips getreten und in seiner Rolle als Alphatier untergraben. Und derjenige, der da so laut gelacht hat, ist quasi der Überbringer der schlechten Nachricht und wird traditionell ebenfalls geköpft. .Also wird die Reaktion auf einen „Tippsen-Witz“ vor versammelter Mannschaft eher ein abwertendes »Ha ha, sehr witzig« sein. Und die Angst vor einer solch niederschmetternden Reaktion läßt 99 Prozent der Frauen den Impuls unterdrücken, sich mit einem Witz zu exponieren und aufs Glatteis zu wagen.
Andererseits sollte man sich vor Augen führen, daß Lachen eine extreme Form von Zustimmung ist. Stellen Sie sich nur mal vor, Sie hören jemandem aufmerksam zu und kichern und lachen schallend über das, was er sagt. Auf diese Weise lassen Sie ihrem Gegenüber pure Energie zufließen. Um diese erfreuliche, ermunternde Bestätigung bringen wir uns, wenn wir den Schwanz einziehen.
Dieser positive Nebeneffekt ist übrigens auch der Grund, warum manche Witze-Erzähler die Vorgeschichte oft so quälend lang machen, bevor sie zur Pointe kommen. Weil sie diese Zeit, irn Zentrum der Aufmerksamkeit einer Gruppe zu stehen, auskosten wollen und sich davon einen Aufschwung im Status erhoffen. Das kann aber wie gesagt auch ganz schnell ins Gegenteil umschlagen, und man macht sich vor versammelter Mannschaft völlig zum Deppen. Sie sehen, Witze zu erzählen ist nicht ungefährlich, und weil Frauen klug sind, haben sie das intuitiv kapiert und lassen es lieber bleiben. Die übliche Antwort auf meine häufig gestellte Frage „Wer weiß 'nen guten Witz?“ wird von Frauen immer beantwortet mit einem: „Mei oiso, Witze konn i mir überhaubz ned merka.“ Und das ist kein vorgetäuschter Alzheimer. Man muß Witze wirklich öfter erzählen, um sie aus dem passiven ins aktive Gedächtnis zu holen. Und um dabei nicht baden zu gehen, muß man auch die hohe Kunst beherrschen, den richtigen Gag zur richtigen Zeit zu machen. Mit anderen Worten: Witze erzählen muß man lernen, man muß dafür begabt sein und man muß es üben! Aber das mit dem regelmäßigen Trainieren ist so 'ne Sache. Haben Sie mal beobachtet, wie Männer reagieren, wenn sie von einer Frau im Schach besiegt wurden oder im Billard? Nein? Weil es so selten vor kommt. Wir sitzen also immer noch in der Ecke und warten, bis wir gefragt werden. Wir sind genetisch darauf programmiert, unsere Versorger nicht herauszufordern.
Männer sind auch sehr verletzbar, sie haben ihr Gehirn dort hängen, wo wir danach treten können. Das ist jetzt nicht männerfeindlich; das nennt man lustig. Aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen aus eigener Erfahrung sage, daß Sie sich Ärger einhandeln werden. Und man muß sich doch nicht selbst in den Fuß schießen!
Und das wiederum bringt uns zurück zur Frage des Vortrages: Sollten Frauen Witze erzählen? Nun, wenn Sie es nicht wirklich gut machen, würde ich die Frage nach wie vor mit einem klaren Nein beantworten, denn Witze erzählen ist wie Geige spielen. Man muß es können! Nur, während Letzteres bloß an den Nerven zehrt, wenn man es schlecht macht, hinterläßt ein falscher Witz zur falschen Zeit verbrannte Erde. Wenn Sie aber spüren, daß eine große Hurnoristin in Ihnen steckt, gehen Sie die Sache professionell an und beteiligen Sie sich jetzt an der Einführungsstunde meiner kleinen Witzschule.
 
Schreiben Sie jeden Witz, den sie hören und der Ihnen gefällt, so fort auf. Nur so können Sie ihn sich merken und öfter erzählen. Achten Sie auf den richtigen Zeitpunkt: Beim ersten Rendezvous das Eis brechen zu wollen, mit einem flapsigen »Lattenrost ist übrigens keine Geschlechtskrankheit« könnte nach hinten losgehen. Auch ganz am Anfang einer Party, wenn alle noch etwas klemmig in der Gegend rumstehen, bitte nicht gleich auf Teufel komm raus loslegen. „Ich krieg von meinen neuen Schuhen immer Blasen. Bei meiner Freundin ist das ja genau umgedreht!« war vielleicht der Brüller in der angeheiterten Runde vom letzten Abend, kann aber im falschen Moment auch ein echter Rohrkrepierer werden. Erfahrungsgemäß kann man eine gute Witzerunde nicht mehr toppen, und man sollte seine Juwelen aufheben, bis alle genügend »Pegel haben« und sich das Umfeld thematisch auf ein Witze zuträgliches Niveau heruntergetrunken hat. Dann kann man sogar mal 'nen ganz schrecklichen Kalauer vom Stapel lassen, wie diesen hier; „Was passiert, wenn drei Schwule 'ne Frau im Park vergewaltigen?? Zwei halten sie fest, einer macht ihr die Haare“.
Der Witz beginnt schon vorher, indem man ihm ein Bett bereitet, in welchem die Pointe besonders überraschend kommt. Der beste Witz ist nur so gut wie der Zusammenhang, in dem er gebracht wird. Wenn Sie einen Witz, der gerade erzählt wird, schon kennen, behalten Sie es für sich. Analysieren Sie lieber mit freudig erwartungsvollem Blick, ob Ihr Gegenüber vielleicht sogar ein paar bessere Details auf Lager hat.
Man kann in so einer Situation auch den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte der Pointe durchleuchten. Viele Witze-Prinzipien wiederholen sich immer wieder, nur mit unterschiedlichen Zutaten gespickt. Ein schönes Beispiel dafür ist der Witz mit dem tätowierten Penis: Boris Becker hatte AIDS auf seinem stehen, was sich als Werbedeal für ADIDAS herausstellte. In den 70er-Jahren hieß das Penis-Tatoo einer Urlaubsbekanntschaft „Wendy“ und entpuppte sich während des Vorspiels als: »Welcome to Jamaika and have a nice day«. Die älteste mir bekannte Variante stammt aus dem Ersten Weltkrieg, da stand auf dem Glied des verwundeten Seemanns das schöne Wort „Rumbalotte“. Die junge, gutaussehende Krankenschwester mußte dann feststellen, daß die Inschrift in voller Länge „Ruhm und Ehre der baltischen Flotte“ heißt. Witze-Rezepte zu verstehen ist wichtig, wenn man unter Umständen selbst anfangen möchte, Witze zu erfinden. Schon Voltaire sagte; „Gott ist ein Komödiant, der vor einem Publikum spielt, das sich nicht zu lachen traut.“
Und hier noch ein ganz persönlicher Tip von mir. Aus oben bereits erwähnten Gründen ist es nicht klug, vor größeren Gruppen anzufangen. Unter Vier Augen steht man nicht so unter Druck und produziert weniger Adrenalin.
Auch den Joke mit charmanter Schüchternheit anzukündigen und vorher nachzufragen, ob das männliche Gegenüber auch gewillt ist, einem seine Zeit und sein Ohr zu schenken, ist der Situation zuträglich. Wobei es gar nicht schadet, offen mit dem Thema „Ich will übenl“ umzugehen. Das versetzt den anderen gleich in die etwas erhöhte Position des Witze-Trainers oder konstruktiven Kritikers, der die kleine Anfängerin bei der Hand nehmen kann. Und fortan sind Ihre humoristischen Erfolge quasi auf seinem Mist gewachsen. So hat es die kluge Frau geschafft, Witze zu üben und gleichzeitig dem Mann die Möglichkeit zu geben, sich zu profilieren.
 
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg als angehende Hobby-Humoristinnen, und ich wünsche mir an dieser Stelle nochmal, daß Sie mich über jeden neuen Witz, der Ihnen zu Ohren kommt, per E-Mail an meine Agentur auf dem Laufenden halten. Wir haben eine neue Zeit, ein neues Zeitalter, und das sollten wir jetzt auch einläuten. In diesem Sinne werde ich mich selbst korrigieren und sagen: Ja, Frauen sollten Witze erzählen und Spaß haben und so viel lachen, wie sie können!! Denn das sind doch die Momente, in denen man am glücklichsten ist, auch wenn man dafür seine eigene Großmutter verkaufen muß.   
 

(Textauszug aus "Auszeit! Der Perlinger-Weg ins Glück"
mit freundlicher Genehmigung des Südwest Verlages)
Weitere Informationen unter: www.sissi-perlinger.de
Redaktion: Frank Becker