Ein klangvoller Sturm auf den Grünen Hügel

Helmut Lörscher Trio – „tristanesque – reflections in jazz“

von Frank Becker

Ein klangvoller Sturm auf den Grünen Hügel
 
„tristanesque – reflections in jazz“
Das Helmut Lörscher Trio – bläst zur Attacke:
gegen den Bierernst der Wagnerianer
 
 
Helmut Lörscher und sein Trio haben am Ende des dahingegangenen Wagner-Jahrs eine ebenso kenntnisreiche wie unterhaltsame Bearbeitung von bekannten Kompositionen Motiven Richard Wagners im Licht hervorragender Jazz-Arrangements vorgelegt, die neuen Spaß an Wagner wecken. Spaß und Wagner? Ist das erlaubt? Und ob. Im Jubeljahr 2013 wahrlich überstrapaziert, scheint erst hier der wahre Wert wuchtigen Wagnerschen Wütens sicht- bzw. hörbar zu werden. Ein kluger Schachzug, die wallenden Wogen Wotans weise verebben zu lassen, um dann mit einer herrlich frischen Brise eine Delikatesse nachzulegen, die, wie es schon 2006 die „badinerie“ in Sachen Bach-Rezeption tat und damit bis heute frisch gebliebene Anstöße gab, nun hinsichtlich der Gültigkeit Richard Wagners abermals neue Maßstäbe setzt. Nach langer und intensiver Auseinandersetzung mit dem monumentalen Werk Richard Wagners hat Lörscher aus Tristan und Walküre, Rheingold und Fliegendem Holländer, Tannhäuser, Lohengrin und den Meistersingern bekannte Themen und Leitmotive, quasi eine Hitparade von Gassenhauern ausgewählt und mit Mitteln des Jazz elegant und leichtfüßig be- und zu einem höchst bekömmlichen Destillat verarbeitet.
 
Vom Schwulst und der antisemitischen Weltanschauung Wagnerscher Ur-Komposition, von Heldengedonner und dem verschwitzten Dünkel der eitel zur Bayreuther Weihestätte pilgernden Gläubigen, von Muff, lächerlichem Bierernst und dem Gewese, das bis heute Wagnersche Opern und besonders die maßlos überschätzten Festspiele begleitet, befreit, zeigt sich in Lörschers Arrangements, daß eben dieser Wagner trotz seines Größenwahnsinns ein durchaus akzeptabler Notenschreiber mit Ideen gewesen ist, aus denen anständige Musiker auch ganz feine Musik herausholen können.
„tristanesque“ räumt gründlich mit Vorurteilen beider Seiten auf: der Wagnerianer (die vielleicht begreifen, daß es auch so geht) und Wagner-Hasser (die erkennen sollten, daß man Musik von Weltanschauung trennen kann). Was übrig bleibt, ist ein perfekt konzipiertes Album mit Ewigkeitswert. „Hier die unendliche auskomponierte Melodie, dort das improvisierte Zusammenspiel in der Form. Hier die monumentale Größe, das Gesamtkunstwerk – dort vitale Leichtigkeit und Expressivität, die aus dem Augenblick entsteht“ heißt es zutreffend im Pressetext zur CD und weiter:  „Dabei kommen auch humorvolle parodistische Aspekte nicht zu kurz, etwa wenn  Beckmessers rechthaberische Selbstgewissheit mit Hilfe süffisant gestreuter Kurt-Weill-Zitate im swingenden Stil eines Duke Ellington Erlösung findet: Beck the Knife.“  Zitate finden sich, mit Witz und Augenzwinkern als Marginalien wie zufällig an den Rand geschrieben, auch an anderen Stellen. So schön haben Sie das abgestaubte Rheingold, den Walkürenritt und das Siegfried-Idyll jedenfall noch nicht gehört. Bernd Heitzler beweist erneut neben Helmut Lörschers Piano seinen Rang als einer der feinfühligsten deutschen Kontrabassisten, Harald Rüschenbaum stützt das Projekt wie schon die „badinerie“ mit sensiblem Rhythmus- und Tempogefühl.
 
Ein exzellenter Streich, ein brillantes Album, das wie „badinerie“ unsere Auszeichnung, den Musenkuß, verdient hat.
 
Helmut Lörscher Trio – „tristanesque – reflections in jazz“
© 2013 Produktionsbüro für Musik und Medien
Helmut Lörscher (p) – Bernd Heitzler (b) – Harald Rüschenbaum (dr)
 
Titel:
1 Haunted  4:27 (Helmut Lörscher nach der Ouvertüre zu Die Walküre)
2 Tristanesque  6:49 (Helmut Lörscher nach dem Vorspiel zu Tristan und Isolde)
3 Rheingold-Fantasie  6:14 (Helmut Lörscher nach Motiven aus Das Rheingold)
4 Steuermann, laß die Wacht! Richard Wagner / Helmut Lörscher  3:58 (Matrosenchor aus Der Fliegende Holländer)
5 Tannhäuser-Ouvertüre Richard Wagner / Helmut Lörscher  5:05
6 Walkürenritt Richard Wagner / Helmut Lörscher 4:54
7 Siegfried-Idyll Richard Wagner  6:33 (Helmut Lörscher nach der Sinfonischen Dichtung)
8 Lohengrin Richard Wagner / Helmut Lörscher 6:44
9 Beck the Knife  6:08  (Helmut Lörscher nach Motiven aus Die Meistersinger von Nürnberg mit Zitaten nach Kurt Weill aus Mack the Knife)
10 Walthers Preislied 6:02  Richard Wagner / Helmut Lörscher (aus Die Meistersinger von Nürnberg)
11 Master’s Steps 4:19 John Coltrane / Richard Wagner / Helmut Lörscher  (Giant Steps (Jowcol Music) / Ouvertüre zu Die Meistersinger von Nürnberg)
 
Gesamtzeit 1:01:26
 
Weitere Informationen:  www.helmutloerscher.de  -  www.in.akustik.com