Eine ganz normale Nachkriegskindheit

Thomas Althoff - „Komm wir schießen Kusselkopp“

von Frank Becker

Eine ganz normale Nachkriegskindheit
 
Wir leben im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, die Schrecken eines Krieges sind für unser beschenktes Land seit beinahe 70 Jahren vorbei, zumindest die letzten beiden Generationen können sich, zumal nach der glücklichen Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, kaum noch vorstellen, wie es wohl gewesen sein mag, ihr Deutschland in einen Krieg verwickelt zu sehen. Das ist gut so – und so soll es bleiben. Wir wollen keine Soldaten mehr in unsinnigen Kriegen auf unserem oder dem Territorium fremder Länder verheizen.
 
Thomas Althoff (*1943) hat als kleiner Junge das Ende des fürchterlichen 2. Weltkriegs miterlebt, seine Kindheit fand zwischen den Trümmern statt, die blieben, als die verblendete  Herrschaft des unbegreiflichen „3. Reichs“ in Chaos und Tod unterging. Kinder haben die Gnade des Nichtwissens. Kinder können spielen, wo ihre Eltern den verzweifelten Kampf ums Überleben bewältigen und den Tod „im Feld gebliebener“ Männer betrauern. So auch Thomas Althoff, der in seinem Buch „Komm wir schießen Kusselkopp“ davon erzählt, wie es war, Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre ein Kind zu sein und allmählich groß zu werden. Ein Roman ist es, doch einer, der auf den frühesten Erinnerungen des im zerstörten Gelsenkichen-Rotthausen aufgewachsenen Mannes fußt. Wir lernen die verzweigte Verwandtschaft kennen, die nach dem überstandenen Krieg zusammenhält, gehen mit auf Hamstertour (kann sich das beim heutigen Überfluß überhaupt noch jemand vorstellen?), riechen das klietschige Graubrot, hören fauchende Dampfloks, stolpern mit dem I-Dötzchen über die Schwelle der Schule, erleben Volksschule und „Höhere Schule“ von Sexta bis Quinta – und die erste ganz leise, zarte Liebe.
 
Familienfeste, als man wieder begann, zu feiern, Kino-Besuche, Salamander und Sanella, SIKU und Sammelbilder (die nie komplett wurden), die Fußball-WM 1954, die man am Radio-Lautsprecher miterlebte, Ausflüge mit dem ersten eigenen Fahrrad und Vaters großem Stolz namens Taunus, ein Erdbeershake in der Milchbar, Schlager von Caterina Valente – das Leben nahm wieder Formen an, und unser Thomas war mittendrin. Thomas Althoffs autobiographischer Roman ist für die älteren Leser ein Wiedererkennen der eigenen Kindheit, mit allen kleinen und großen Abenteuern, Trümmergrundstücken, Lateinstunden, Freundschaften und Kameraden. Eine verschwundene Zeit ohne Fußballkrawalle, Mobiltelefone, Internet, Reizüberflutung, Arbeitslosigkeit, religiöse Konflikte und islamische Gotteskrieger, die der heutigen Jugend, erzählt man davon, wie ein Märchen vorkommen muß. Es war eine Zeit des Lernens nach schlimmer Erfahrung, eine Zeit des Hoffens auf den Bestand von Frieden und Wohlstand. Eine trotz aller Entbehrungen gute Zeit mit Werten - Werten an die zu erinnern sich lohnt. Ein gutes Buch, auch Jüngeren zur Lektüre empfohlen.
 
Thomas Althoff  - „Komm wir schießen Kusselkopp“
2010 (5. Auflage) Verlag Henselowsky Boschmann, 252 Seiten, gebunden, Lesebändchen – ISBN 978-3-922750-35-2
14,90 €
 
Weitere Informationen:  www.vonneruhr.de