Begegnungen mit dem Numinosen

Franz Sedlacek - Chemiker der Phantasie

von Frank Becker

Blüten und Insekten, 1935
Begegnungen mit dem Numinosen
 
Die merk-würdigen Bilder des Franz Sedlacek
 
Für viele Betrachter wird es eine Neubegegnung sein – und für die meisten von denen auch eine gänzlich neue Erfahrung des Schauens und Begreifens. Franz Sedlaczek ist mit und in seinen Bildern ein Tänzer zwischen Barock und Romantik, zwischen Renaissance und Expressionismus, Surrealismus und Neuer Sachlichkeit. Sedlacek (1891–1945) hat mit Elementen all dieser Epochen eine ganz eigene düstere Welt geschaffen, voll von Parabeln, Symbolen und Geheimnissen. Die muß man in Ruhe erwandern, wobei es Mal um Mal zu abenteuerlichen Begegnungen kommt.
Wir treffen in Blumen- und Insektenstücken auf Maria Sybilla Merian, auf Fabelwesen aus der Hexenküche Hieronymus Boschs und in Alptraumbildern wie z.B. „Nächtliche Heimkehr“ auf George Grosz, in seinen Gespenster-Szenen auf Arnold Böcklin, auf Caspar David Friedrichs konturstarke Landschaftssujets mit dem Menschen als Eindringling und auf Motive Giorgio di Chiricos, auf Pieter Bruegel d.Ä. in vielen wimmelnden Volksszenen, auf Panoramen wie in Albrecht Altdorfers Alexanderschlacht, dramatische Landschaften, Kabinette des leisen und Plakate des schrillen Schreckens. Der Großmeister der phantastischen Literatur Gustav Meyrink nahm mehrfach Bilder Sedlaceks zur Vorlage für Erzählungen, während der Maler selbst eine Hinwendung zu biblischen Bezügen und christlicher Bildwelt erkennen läßt. Vielfältig sind u.a. seine Variationen auf die Flucht nach Ägypten.

 
  Industrielandschaft, 1934

Als Sohn eines k.u.k. österreichischen Ingenieurs wurde Franz Sedlacek 1891 in Breslau geboren, besuchte ab 1897 in Linz die Schule, wo er 1909 sein Abitur ablegte. Er studierte ab 1910 zunächst an der Technischen Hochschule in Wien Architektur, ab 1911 Technische Chemie, doch schon 1913 war der künstlerische Autodidakt Mitbegründer der Linzer Künstlergruppe MAERZ. Nach ersten Gehversuchen als Graphiker und Karikaturist für Zeitschriften (Muskete, Simplicissimus) trat er der Wiener Secession nahe, deren ordentliches Mitglied er 1927 wurde. Neben seiner späteren hauptberuflichen Tätigkeit als Kustos für Chemie am Technischen Museum in Wien (ab 1921), dessen stellvertretender Direktor er 1937 wurde, wandte er sich intensiver der Ölmalerei zu.


Bibliothek, 1926 
 
Mit seinen in bestechender Qualität ausgeführten bizarr grotesken bis abgründig alptraumhaften Sujets nimmt er eine einzigartige, wenig vergleichbare Stellung in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ein. Für diese Epoche ist Sedlcek zu den wichtigsten österreichischen Künstlern zu zählen. Bereits im 1. Weltkrieg Soldat im österreichischen Heer, diente Sedlacek als Offizier der Deutschen Wehrmacht ab 1939 auch im 2. Weltkrieg, den er bis Anfang 1945 an verschiedenen Fronten überstand. Seit Januar 1945 galt er an der Ostfront bei der Schlacht von Thorn (Ostpreußen) als vermißt. 1965 wurde er offiziell für tot erklärt.


Gespenster auf dem Baum, 1933

Anläßlich einer von Gabriele Spindler und Ursula Storch kuratierten Ausstellung des Wien Museums wurde Anfang 2014 eine große Zahl seiner im öffentlichen und Privatbesitz befindlichen Werke gezeigt. Der Katalog zur Ausstellung, der im Residenz Verlag erschienen ist, stellt mit seinen Erläuterungen eine wichtige Quelle zum Lebenswerk des Malers und dessen Verständnis dar.
 
Franz Sedlacek - Chemiker der Phantasie
© 2014 Residenz Verlag. 128 Seiten, Klappenbroschur 27 x 21 cm, Farbabbildungen - ISBN 978-3-7017-3333-0
€ 22,00
 


Abendlied, 1938
Weitere Informationen: www.residenzverlag.at