60 Jahre Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften

von Andreas Rehnolt/Bec.

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Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
hatte am 18. Mai 1954 ihre konstituierende Sitzung
 
Indiziert wurde vor 60 Jahren als erstes Werk ein Tarzan-Comic
 
Bonn - Am 18. Mai 1954 - also vor 60 Jahren - fand in Bonn die konstituierende Sitzung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjM) statt. Ein Tarzan-Comic war das erste Werk, das 1954 von der neu gegründeten Behörde indiziert wurde. Der Schutz der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen beinhaltet, daß Einflüsse von ihnen ferngehalten werden, die ihren Reifungsprozess negativ beeinflussen können. Dies ist natürlich in erster Linie eine Aufgabe der Erziehungsberechtigten. Aber auch der Staat, der nach Artikel 20 des Grundgesetzes ein sozialer Rechtsstaat ist, wird zu entsprechendem Handeln aufgerufen.
 
In diesem Sinne wurde 1953 vom Deutschen Bundestag das „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ (GjS) beschlossen, das am 14. Juli 1953 in Kraft trat. Das GjS sollte, wie alle anderen Jugendschutzgesetze auch, eine positiv aufbauende Jugendarbeit unterstützen. Es ergänzte die sonst bestehenden gesetzlichen Jugendschutzmaßnahmen als Vorbeugegesetz. Zur Durchführung des Jugendmedienschutzes war eine Bundesoberbehörde unter dem Namen „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ vorgesehen.
Anfangs war die Bundesprüfstelle der Dienstaufsicht des Bundesministeriums des Innern, später der des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit unterstellt. Die heutige BPjM ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachgeordnet. Dabei nimmt sie als Bundesoberbehörde gerichtsähnliche Funktionen wahr. Ihre Mitglieder, also die Beisitzer und der Vorsitzende, sind im Rahmen der Indizierungsverfahren nicht an Weisungen gebunden. Seit seinem Entstehen wurde das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften mehrfach geändert.
So wurde 1973 im Zuge der Strafrechtsreform entschieden, daß Schriften, die mit Bildern für Nacktkultur warben, nicht mehr offensichtlich schwer jugendgefährdend seien. 1974 wurden dann gewaltverherrlichende Schriften als schwer jugendgefährdend in das Gesetz aufgenommen. 1978

© Sangko Norden
wurde der Kreis der Antragsberechtigten über die Obersten Jugendbehörden der Länder hinaus auf alle Landesjugendämter und alle örtlichen Jugendämter erweitert. Seit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands stieg die Zahl der Antragsberechtigten auf rund 800 an, was sich auch sehr deutlich auf die Anzahl der Indizierungsanträge ausgewirkt hat.
 
1985 wurde das GjS geändert, um angemessen auf den „Videoboom“ reagieren zu können und Kennzeichnungs- und Freigabevorschriften auf Videofilme zu übertragen, die bereits für Kinofilme galten. Darüber hinaus wurde die Überschrift des Gesetzes neu gefasst. Das Gesetz hieß nunmehr: „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte.“ Seit 2002 gibt es zudem eine große Zahl an „Anregungsberechtigten“. Anregungsberechtigt sind alle Behörden in Deutschland, auch Polizeibehörden, die nicht schon antragsberechtigt sind sowie alle anerkannten Träger der freien Jugendhilfe. Seit 2003 wurde die Behörde in „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) umbenannt.

Seit Aufnahme ihrer Prüftätigkeit hat die BPjM Medien aus den unterschiedlichsten Gründen indiziert. Obwohl sich die Antragspraxis im Laufe der Jahre mehr und mehr auf Prüfobjekte im Gewaltbereich verlagert hat, ist die BPjM auch in den 50er- und 60er Jahren schon gegen Gewaltmedien tätig geworden. Das erste Gewalt-Comic, das in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen wurde, war ein illustriertes

© Erich Pabel Verlag
Westernheftchen, in dem Grausamkeiten, Verbrechen und Gewalttaten zumindest nach damaliger Ansicht derart in den Mittelpunkt gerückt wurden, daß die Lektüre auf Jugendliche verrohend wirken konnte.
 
Zehn Indizierungen von sogenannten „Landser“-Heften, die meist kriegsverherrlichende oder -verharmlosende Abenteuer erzählten, genügten, um größere Verlage zur Selbstkontrolle oder Umstellung ihrer Produktion in diesem Bereich zu veranlassen.
Bücher, die das nationalsozialistische Regime verherrlichen, werden seit Beginn der Prüftätigkeit der BPjM regelmäßig indiziert, um die rechtsradikale Beeinflussung von Jugendlichen zu verhindern. Seit 1991 sind die Anträge verstärkt auf die Indizierung von Tonträgern und Internetangeboten mit rechtsradikalen bzw. pornographischen Inhalten gerichtet. Ein weiterer Schwerpunkt der Indizierungsanträge lag in den letzten Jahren auch bei brutalen Videofilmen und kriegsverherrlichenden Computerspielen.
 
 
Redaktion: Frank Becker