Upstairs

Evelyn Waugh – „Verfall und Untergang“

von Frank Becker

Upstairs
 
Paul Pennyfeather gehört zu jenen in der englischen Gesellschaft, die das Leben treibt, die mit Geschick nehmen, was der Tag ihnen anträgt und die sich in distinguierter Zurückhaltung widerstandslos geschmeidig den Gegebenheiten anpassen. Evelyn Waughs mit tiefem Humor und hinreißender Ironie gezeichneter Protagonist seines Romans „Verfall und Untergang“ zieht auch aus den widrigsten Umständen, oft auch ohne viel eigenes Zutun, das der Situation angemessene Beste.
Den ungeplanten, weil eher zufälligen Aufstieg des Theologie-Kandidaten aus der unteren Mittelschicht, mit einer eher skurrilen, grandios ausgeführten Zwischenstation in einer verkommenen Upper Class als Lehrer an einer heruntergekommenen walisischen Schule, in den Glanz und Glamour der geschäftlich wie moralisch nicht unbedingt lupenreinen High Society kann sich Pennyfeather keinesfalls selbst zuschreiben. Eine Laune der überkandidelten reichen Witwe Margot Beste-Chetwynde dient ihm als Sprungbrett in den ihm durchaus willkommenen Luxus derer, die nie auch nur im geringsten auf die Guinee, das Pfund, den Shilling, Penny oder Farthing achten müssen. Das ihn auf seinem Weg umgebende Personal ist skurrill, einer solchen Story durchaus angemessen.
Wie sich Paul Pennyfeather stets distinguiert, wacker, aber gelassen schlägt, welche personellen Entwicklungen das Geschehen beeinflussen, was die angestrebte Ehe mit Margot zum Scheitern, Paul aber ins Gefängnis bringt, wie er auch die Zeit dort übersteht und was ihn schließlich in einer Art moralischer Schleife unter allerdings günstigeren Bedingungen zurück zum Ausgangspunkt der Ereignisse bringt, erzählt Waugh so wahnsinnig komisch, daß man „Verfall und Untergang“ nahezu in einem Zuge geradezu leselüstern verschlingt. Evelyn Waugh (1903-1966) gehört mit seinem Zeitgenossen und Landsmann P.G. Wodehouse (1881-1975), dessen Erzählkunst er sich als durchaus verwandt zeigt, zu einer Generation von Autoren, die mit scheinbar leichter, jedoch scharfer Klinge die englische Gesellschaft ihrer Zeit mit besonderem Augenmerk auf die „Society“, nennen wir es auch in Anlehnung an Jean Marsh und Eileen Atkins „Upstairs“ sezieren. Daß sie diese, aber auch die den moralischen Verfall hinnehmende umgebende Gesellschaft dabei humorvoll ausweiden, dient zum uneingeschränkten Vergnügen der Leser.
 
Mit der neuen Übersetzung, die Andrea Ott Evelyn Waughs Roman „Decline and Fall“ gegeben hat, ist dem Diogenes Verlag nach „Ausflug ins wirkliche Leben“ ein weiterer eleganter Coup gelungen, der das Interesse an Waugh und dieser Form prickelnder englischer Literatur und englischen Humors als Schaumkrone einer Woge ganz nach oben auf meine (Wieder-)Lesewunschliste getragen hat. Noch für dieses Jahr sind die Wiederauflagen von u.a. „Eine Handvoll Staub“ und „Schwarzes Unheil“ angekündigt.
 
Evelyn Waugh – „Verfall und Untergang“
© 2014 Diogenes Verlag, 299 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag  -  ISBN 978-3-257-06895-5
21,90 €
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch