„Wichtig ist der Genuß.“
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt
bis zum September 2014 aus seiner Sammlung Werke
„Vom Impressionismus bis heute“
Wer fast 3.500 Gemälde – vor allem der Moderne vom 19. bis 21. Jahrhundert in seinen Museumsmagazinen hütet, kann mit den Pfunden wuchern. Seit gestern tut das Wuppertaler Von der Heydt-Museum genau das, indem es bis zum September in einer schwelgerischen Ausstellung ca. 125 Werke, darunter 9 Skulpturen, der Kunstepochen vom Impressionismus bis heute aus dem eigenen Bestand präsentiert. Das sind mal gerade knapp 3,5 % des Gesamtbestandes, aber die moderate Auswahl und Hängung folgt dem sich hier bestätigenden Grundsatz: „Manchmal ist weniger mehr“. Die von Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh kuratierte Ausstellung führt chronologisch aufgebaut in neun Räumen fast wie ein kompakter, dennoch leichter Schnellkurs durch die Moderne und ihre Höhepunkte – denn derer hütet das Museum einige in seiner Sammlung. Gerhard Finckhs Satz „Wichtig ist der Genuß“ kann als Motto über dieser Auiswahl stehen, die noch bis September zu sehen ist. Danach wird umgebaut - wobei dann das Gewicht der Sammlungspräsentation etwa bei den letzten 100 Jahren liegen wird.
Mit der jetzigen Neupräsentation im Ersten Obergeschoß zeigt es einen neuen Ausschnitt und rückt Werke des Impressionismus bis heute sowie aktuelle Neuerwerbungen und wertvolle Dauerleihgaben in den Fokus der Aufmerksamkeit. Aus der großen Sammlung wurden Meisterwerke ausgewählt, die in ihrer jetzigen Hängung neue Zusammenhänge und spannende Parallelen aufzeigen. Auch bekannte Gemälde erscheinen so in neuem Licht. Der Rundgang beginnt bereits vor dem Impressionismus im Einganskabinett mit Werken von Theodore Rousseau und Gustave Courbet sowie der Schule von Barbizon, der das Von der Heydt-Museum 2007 eine umfangreiche, wegweisende Schau widmete. Die Impressionisten kommen in natürlichem Licht zu ihrem großen Auftritt. Die Werke von u.a. Paul Cezanne, Claude Monet, Auguste Renoir (4 zarte Landschaftsbilder), die im hellen zweiten Raum gezeigt werden, aber auch Vincent van Gogh (Beim Kartoffelsetzen) und Edgar Degas mit der erlesenen Bronze einer Tänzerin und Eugene Carrière gehören zu den großen Schätzen des Von der Heydt-Museums.
In den folgenden Räumen geht die Reise durch die Kunstgeschichte weiter. Werke von Pablo Picasso, Ferdinand Hodler, James Ensor und Odilon Redon belegen die Vielfältigkeit der Kunst um die Wende zum 20. Jahrhundert. Für seine Meisterwerke des Expressionismus ist das Von der Heydt-Museum berühmt und als Leihgeber für andere Museen geschätzt. Umso glücklicher kann man sich schätzen, einige der schönsten farbintensiven Werke von Otto Mueller, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Kees van Dongen als Hintergrund für eine zauberhafte Plastik Wilhelm Lehmbrucks sehen zu können, die im nächsten Raum die Aufbruchstimmung des beginnenden Jahrhunderts vermitteln, bevor der Erste Weltkrieg die Zeit aus den Fugen geraten ließ. Erstmals in einer Reihe sind vier zarte Mädchenporträts von Paula Modersohn-Becker zu sehen - dazu ein charaktervolles Porträt der Künstlerin, das ihr Freund Bernhard Hoetger 1927, also 20 Jahre nach ihrem Tod, in Bronze schuf und das vom Von der Heydt-Museum gerade gekauft wurde. Werke von Walter Dexel, Georg Muche, Paul Klee und Laszlo Moholy-Nagy unterstreichen den hohen Rang dieser Sammlung.
In Raum 5 beginnt bereits die Kunst ab den 1920erJahren, die neue Ansätze in einem skeptischen Realismus und in konstruktiven, abstrakten Formen suchte. Fast schon grafisch wirken die Bilder der Kölner Progressiven Franz Wilhelm Seiwert und Gerd Arntz. Oskar Schlemmer vertritt das Bauhaus. Nicht nur dank seiner Wuppertaler Schaffenszeit ist er mit zahlreichen Zeichnungen, Objekten und Gemälden in der Sammlung des Museums vertreten, von denen drei Gemälde in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind. Trotz des Zweiten Weltkriegs gibt es eine kontinuierliche Entwicklung zur Kunst der Nachkriegszeit, die in Raum 6 zu finden ist. Willi Baumeister gilt als wichtigster abstrakter Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Bild „Aru 7” erwarb das Von der Heydt-Museum bereits 1956, kurz nach dem Tod des Künstlers. Zusammen mit Ernst Wilhelm Nay, Karl Otto Götz, Hann Trier, Emil Schumacher und Fritz Winter steht er für den Pluralismus der Stile innerhalb der informellen Kunst dieser Zeit. Ein zarte Drahtplastik Norbert Krickes gibt der Schwere dieser Künstler einen Hauch von Leichtigkeit, Karl Hartungs Bronze „Komposition“ und „Menschliche Konkretion“ von Hans Arp legen Zeugnis von der Kraft bildhauerischen Ausdrucks dieser Epoche ab.
Diese Diversität setzt sich in den Werken der 60er Jahre fort, die in Raum 7 zu sehen sind. Hier sind die Künstler der Zero-Gruppe und der Gruppen „Nul” und „Azimuth" vertreten, wie Günther Uecker, Otto Piene, Jan Schoonhoven und Lucio Fontana. Reizvolle Kontraste ergeben sich aus dem Nebeneinander von Gemälde und Skulptur, so etwa bei Josef Albers´ „Huldigung an das Quadrat und Alberto Giacomettis „Frau für Venedig V - Femme des Venise V“. Laura Grisis leuchtende Aluminium-Installation „Angolare” (1967) war bisher nur einmal im Von der Heydt-Museum zu sehen. Vor kurzem konnte sie erworben werden. Jetzt sieht man sie in Nachbarschaft zu Christos Zeitschriftenpaket „Look“ (1965). John Chamberlains kleine bunte Stahlplastik aus den 1960er Jahren ist eine neue Schenkungen an den Kunst- und Museumsverein (KMV).
In einem Kabinettraum sind Werke verschiedener Surrealisten, Photorealisten bewußt dicht gehängt, um eine fast bedrückende Wirkung zu erzielen. Hier sieht man Bilder u.a. von Salvador Dali, Max Ernst, Karl Kunz, Yves Tanguy und Domenico Gnolis „Damenfüße“ und als Konzession an den Besuchergeschmack Gemälde des Spätexpressionisten Marc Chagall. Auch ein Plastik-Kanister mit Wasser aus dem Stillen Ozean, Teil des großen Wasser-Projekts von Klaus Rinke steht blau und frech auf einem Sockel und erinnert an Tony Craggs gestohlene Weichspüler-Flasche. Neu in der Sammlung und erstmals zu sehen sind zwei Ölbilder von Rosie Lee, das mysteriöse „Doll Garden“ und das heiter erotische „Maze (With Running Boy)“, das leider ein wenig zu hoch hängt, um all die witzigen Details sehen zu können.
Zum Ende des Rundgangs ist die Präsentation der Sammlung bereits in den 90erJahren und bei den Neuerwerbungen der jüngsten Zeit angelangt. Als Dauerleihgabe kann das Von der Heydt-Museum erstmals Anne und Patrick Poiriers Fotografien von römischen Grabtafeln zeigen. Von Daniel Lergon ist eine ätherische Lackarbeit ohne Titel aus dem Jahr 2009 zu sehen, von Maike Freess ist ein expressives Porträt. Die Von der Heydt-Kunsthalle Barmen widmet der Berlinerin im nächsten Jahr eine Einzelausstellung. Sven Drühl, Tatjana Valsang, Cornelius Völker, hier ebenfalls mit Werken vertreten, haben bereits in der Kunsthalle Barmen ausgestellt. Bei Neo Rauchs „Roter Junge” handelt es sich um einen spektakulären Ankauf des vergangenen Jahres.
Eine ganze Wand im letzten Raum des Rundgangs ist den Arbeiten von Bazon Brock aus den Jahren 1963 bis 1977 gewidmet, die den Titel „Werk ist abgelegtes Werkzeug” tragen. 18 Schwarz/Weiß-Fotos (Siebdruck auf Leinwand), eine aktuelle Schenkung an den KMV, dokumentieren Aktionen, die der emeritierte Wuppertaler Ästhetik-Professor und Vertreter der Fluxus-Bewegung durchgeführt hat oder an denen er beteiligt war, wie zum Beispiel die Gründung der Deutschen Studenten Partei mit Johannes Stüttgen, Joseph Beuys und Henning Christiansen in der Kunstakademie Düsseldorf 1967.
Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de
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