Zwei Bilder und 444 Worte
Greve empfiehlt „Hamburger Ziegel“ in gedruckter und anderer Darreichungsform Heute möchte ich mir gerne selber etwas empfehlen: Nämlich, das großartige Buch „Vor dem Fest“ des Autors Sasa S. (Nachname der Redaktion bekannt) nun auch wirklich von vorne bis hinten zu lesen. Gelobt habe ich es bereits. Ich habe ihn daraus vorlesen gehört - er kann sehr gut vortragen. Er kann im Deutschlandradio ausgiebig spannend, erhellend und sympathisch darüber reden. Er ist „ein Glücksfall für die deutsche Literatur“ schrieb ich vor Monaten hier auf diesem Morseplatz. Auch starker Wind bringt den 1978 geborenen Bosnier (seit kurzem Neu-Hamburger) nicht aus dem Konzept. Punkt.
Ich könnte auch andersherum anfangen und die drei grundverschiedenen Wörter Hafen, Ziegel und Magellan aufs Tapet bringen und behaupten, daß Hamburg einen Ort hat, wo Schreiber auf ihre Fähigkeit, mit Drucksituationen umgehen zu können, live getestet werden und daß dieser Windkanal in der Hafen-City zu finden ist, einem Neubauviertel, das mit Hafenromantik soviel zu tun hat, wie die dortigen Magellan-Terrassen mit der legendären Magellan-Straße (bis auf den Wind). Rein optisch kämpft hier Ziegel gegen Glas, Stahl und Sichtbeton. Worte sind flüchtig, flüchtiger sind Manuskriptseiten im Wind, die das Ende der Lesung nicht abwarten mögen, sondern hinauf in den Himmel über dem Hamburger Traditionsankerplatz Segelschiffhafen wollen, vielleicht sogar über das Dach des geldverschlingenden Kulturförderturms Elbphilharmonie hinaus.
Wohl dem, dessen Werkstücke bereits im „Hamburger Ziegel“ stehen, der so heißt, weil er groß wie ein Mauerstein ist und mit über 600 Seiten auch so schwer. Da kann nichts mehr einfach wegfliegen, obwohl er aus unendlich vielen Beiträgen bekannterer und unbekannterer Autoren geformt ist. Alle paar Jahre neu und nach 20 Jahren fast eine Institution in sich. Die Hamburger Kulturbehörde steckt unter anderem dahinter, die auch bei der sommerlichen Lesereihe Ziegellesung in der Hafen-City ein wenig die Fäden zieht oder ziehen läßt. Sasa Stanisic hat da im Juni bereits aus „Vor dem Fest“ gelesen - obendrein wird eine Passage, die im Roman keinen Platz mehr fand, im Herbst im neuen „Ziegel“ erscheinen. Der kommende special guest bei der Juli-Lesung wird der komische Lyriker Norbert Gsella sein, der bereits Ringelnatzpreisträger ist und sicher noch viel Lob und Ehr auf sich laden wird. Von mir aus allein schon für den Titel des nun schon älteren Bandes von ihm „Generation Reim“. Im August lesen u.a. Harald Martenstein und der Hamburger Lyriker Herbert Hindringer im Windkanal an den Magellan-Terrassen.
All dieses versuchte ich statt vieler Worte mit dem hier gezeigten Foto auszudrücken. Ging aber nicht. Knapp vorbei ist auch daneben.
Ihnen einen schönen Sommer! Ich ziehe mich demnächst zum Arbeiten ins dänische Brechthaus zurück. Das empfehle ich ausdrücklich nicht. Ich verrate nicht einmal, wo das ist.
Redaktion: Frank Becker
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