Das Gemeinsame als Mittelpunkt entdecken

Vom Fremdsein und Zuhausesein - Ein Projekt des Bergischen Kollegs und der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

von Frank Becker

Die „Schreibwerkstatt“ - Foto © Frank Becker

Das Gemeinsame als Mittelpunkt entdecken
 
Vom Fremdsein und Zuhausesein
Ein Projekt zur Wertschätzung der Verschiedenheit
 
Studierende des Bergischen Kollegs Wuppertal erzählen in einem Schreib- und Kunstprojekt in Kooperation mit der Begegnungsstätte Alte Synagoge in Wort und Bild Geschichten über ihre Herkunft, über die Probleme, ihre Identifikation zu finden und die Emotionen – eigene und fremde - die ihnen dabei begegnen.
 
Eine Studierende am Kolleg erzählt: „In Usbekistan haben wir oft nach der Auflösung der Sowjetunion gehört, daß wir russisch sprächen und deshalb nach Russland fahren müssten. In meinem Pass steht als Nationalität jüdisch, weil in Usbekistan wie in Russland die Nationalität vom Vater auf die Kinder übergeht. Folge: Da bin ich Jüdin. Aber in Israel, wo auch viele meiner Verwandten wohnen, bin ich Russin, weil da die Nationalität von der Mutter übergeht, und meine Mutter ist Russin.“
Das beschreibt die Absurdität, die sie im Hinblick auf ihre Herkunft erlebt hat, als sie noch nicht in Deutschland war. Doch sollte man nicht meinen, daß damit die Probleme ein Ende haben, denn auch hier, in ihrer Heimat Deutschland, begegnen den jungen Deutschen mit Wurzeln in anderen Nationen und Erdteilen noch Vorbehalte, Unwissen und Mißtrauen.
 
Die jungen Erwachsenen ab 18 Jahren, die beim Bergischen Kolleg auf dem Zweiten Bildungsweg die Fachhochschulreife oder das Abitur erwerben, stammen überwiegend aus Wuppertal und den umgebenden Städten, vor allem Solingen und Remscheid. Die Wurzeln dieser Studierendenschaft liegen in über 30 Ländern der Welt. Nicht zuletzt der Brandanschlag auf die Barmer Synagoge vor wenigen Wochen hat gezeigt, wie bedeutsam es ist, daß sich diese Menschen mit ihren höchst unterschiedlichen Lebensgeschichten und den ihnen durch Erziehung vermittelten Wertvorstellungen besser kennenlernen, sich angenommen und zu Hause fühlen können. Gleichzeitig ist es wichtig, daß junge Menschen mit deutschen Wurzeln, die sich aus verschiedensten Gründen ebenfalls „fremd“ oder nicht akzeptiert fühlen, die Möglichkeit bekommen, dies zu artikulieren.
Aus all diesen Gründen wurde am Kolleg eine „Schreibwerkstatt“ eingerichtet, ein engagiertes Projekt, in dem Studierende mit Anleitung und Hilfe von Pädagogen des Kollegs auf ihren eigenen Biographien und Erfahrungen fußend Texte verfaßt, Geschichten erzählt und/oder sich selbst in Zeichnungen oder Collagen porträtiert haben.


Die Arbeit des Briten Lucas Szikszai - Foto: Frank Becker
 
Ridvan Selcuk Ak, Moshtak Almendelawi, Arthur Babayan, Sven Bachstetter, Sala Basha, Franziska Birk, Julien Bovenzi, Eva-Maria Blombach, Karlheinz „Charlie“ Breitfuß, lsabelle Chrost, Munib Demié, Regina Domiratska, Ahmad El Sohbi, Tim Esser, Nurten Fidan, Akossiwa Fondoumi, Eric Gießmann, Till Gorsolke, Hannan Habib Omer, Sabrina Hackländer, Katalin Heidrich, Matthias Kau, Jacqueline Kik, Monique Klesper, Jana Kocherscheidt, Selma Köksal, Elena Kreimer, Sarah Madeline Kroll, Pamela Lang, Kai Mummert, Lisa Marlene Noack, Caterina Pelli, Artur Rachmatov, Melanie Räde, Finja Reblin, Sarah Rheinländer, Teresa Romano, Moritz Rumstig, Mona Sahin, Anna Magdalena Schmid, Cécile Florence Schwung, Basra Sen, Lucas Maximilian Szikszai, Andreas Tseklias, Fadime Türkmen, Yusuf Ulusu, Anton Wodarz, Yasemin Yavuz, Maria Zaloumi...
47 Studierende, u.a.  betreut von Dr. Ursula Jung, Susanne Kapp, Beatrix Burghoff,
Annette Evang, Jens Clausen, Steffi Schönenstein, Andreas Tunn, Christiane Weber, Rebecca Weiss und Matthias Braune haben ab Ende 2013 am Projekt teilgenommen, dessen Ergebnis nun in Form einer Broschüre mit einer Auswahl von 18 anonymisierten Texten und 16 Bildern, durch ihre Intimität beeindruckende Ergebnisse der Werkstatt, vorliegt. Mit Lesungen, Musik und Ausstellung wird die Broschüre morgen Abend in den Räumen der Begegnungsstätte Alte Synagoge der Öffentlichkeit vorgestellt.
 
Termin: morgen, Dienstag, 16. September, 19.30 Uhr
Ort: Begegnungsstätte Alte Synagoge, Genügsamkeitsstr. 5, 42105 Wuppertal