Ich hatt einen Kameraden...

Dat gov en Kriagsgewemmel - Eine Collage von Hans Werner Otto

von Frank Becker

Herr Hauptmann, Herr Hauptmann,
ich schwör´s ich bin Euer
Herr Hauptmann, Herr Hauptmann,
ich stell mich ins Feuer!
 
Dat gov en Kriagsgewemmel
 
Eine Collage von Hans Werner Otto
 
Regie: Hans Werner Otto – Bühne/Kostüme: Birgit Parduhn – Musik: Prof. Hartmut Klug
Mit: Dörte Bald, Bastian Bastian, Andreas Mucke, Hans Werner Otto, Stefan Otto, Thorsten Strauch, Wolfgang Suchner, Lukas Vaupel, Jannis Wolter, Projektchor 1914 (Ltg. Martin Schiek)
 
1914. Mit „Hurra!“ stürmen deutsche Soldaten, Kriegsfreiwillige, ja ganze Schulklassen zu den Fahnen und in den mörderischen 1. Weltkrieg, um für Kaiser und Vaterland dem Erbfeind Franzmann, dem feigen Engländer und dem russischen Untermenschen mal so richtig in den Arsch zu treten. Das geht im Handumdrehen nahm man an und vielleicht war man ja schon zu Weihnachten wieder zu Hause. Denkste. Der Krieg wird vier Jahre dauern, unendlich viel Leid bringen und über neun Millionen Soldaten und acht Millionen Zivilisten das Leben kosten.
 
Hans Werner Otto hat aus historischen Unterlagen, Zeitungsberichten, Redeprotokollen, Literatur von Elberfelder und Barmer Dichtern und Briefen von der Front eine berührende Collage zusammengestellt. Sehr lokalbezogen und dadurch hautnah wurden für die fast vierhundert Besucher der Premiere auf dem historischem Boden der Aula der Wuppertaler St.-Laurentius-Schule, in der 1914 erste Siegesfeiern abgehalten worden waren, politische Zusammenhänge, blinder Patriotismus, Kriegsgegnertum und Kadavergehorsam greifbar, zumal viele Texte in Elberfelder und Barmer Mundart gesprochen werden. Deutlich stellt das Stück den Widerstand der Sozialdemokraten heraus, der sich u.a. in einem Gedicht des Barmer Heimatdichters Werner Müller und Adolf Uthmanns (1867-1920) Chorstück „Der Weltfriede“ (Alle Völker wollen Frieden) manifestiert. Doch auch die Sozialdemokraten werden sich wenden, wie Friedrich Eberts Elberfelder Reden am 19./20.1.1915 belegen.

 
Die Oberhand behielt die Fraktion der Kriegsbegeisterten, verführt von einem realitätsblinden Monarchen und seiner politischen, kirchlichen und militärischen Entourage. Besonders schlimm die bigotte Stimme der Kirche, die (natürlich) Gott zum Zeugen und Helfer aufruft (So nimm denn meine Hände), zugleich all die Toten nicht ihm anlastet, sondern der Unmoral des deutschen Volkes. Man darf annehmen, daß sämtliche Gegenseiten Ähnliches taten. Männer wie Rudolf Herzog, Friedrich Storck und Will Vesper verherrlichten das blutige Schlachten, Kinder wie Robert de Haas (14) preisen den Krieg – und der General-Anzeiger druckt es. Schon kurios ist es, daß sich auch der Barmer Temperenzler-Verein zu Wort gemeldet hat: „Diejenige Nation, die den wenigsten Alkohol trinkt, wird den Krieg gewinnen.“ Dann hat wohl die Triple Entente weniger gesoffen als die deutschen Hunnen.

 
Die geradezu unerträgliche Idylle der deutschen Kriegs-Postkarten des 1. Weltkriegs (es gab ebensolche auch beim Gegner) wird in Hans Werner Ottos brillanter Collage durch die  bewegenden Briefe des Soldaten Walter Rieth aus Elberfeld an seine Mutter der schrecklichen Wirklichkeit der Front gegenübergestellt. Der Zynismus des Bayer-Chemikers Carl Duisberg, nach dem noch heute ein Gymnasium in Wuppertal benannt ist, läßt schaudern: als Verfechter des Giftgas-Einsatzes (Phosgen) gehört er wohl zu den schlimmsten Kriegsverbrechern díeses 1. Weltkrieges.

 
Hans Werner Otto und sein überzeugendes, glänzendes Ensemble geben der Thematik von Erich Maria Remarques Jahrhundertroman „Im Westen nichts Neues“ in diesem verdienstvollen Stück ein neues Gesicht, eine ergreifende neue Form.
 
Heute Abend, 18.00 Uhr noch einmal in der Aula der St.-Laurentius-Schule, Bundesallee 30, 42103 Wuppertal.