Ein Dali der Architekturfotografie

Filip Dujardin – „Fictions“

von Frank Becker


Ein Dali der Architekturfotografie
 
Es muß Fotografen ein diebisches Vergnügen bereiten, die Welt mit ihren Mitteln auf den Kopf zu stellen, sie als Bühne für ihre Phantasien, als Spielwiese ihres hintergründigen Humors zu nutzen. Was z.B. Frank Kunert mit genial schwarzhumorigen, akribischen Dioramen „Verkehrter Welten“ im Kleinen, Gergory Crewdson mit seinen aufwendigen, Hollywood-reifen Aufbauten im Großen (Beneath The Roses, In A Lonely Place) inszeniert und Andy Goldsworthy u.a. mit „Passagen“, „Schafhürden“ und „Mauern“ vergänglich in der Natur arrangiert, haben wir unseren Lesern hier schon angelegentlich und mit viel Vergnügen vorstellen können.

 
Die kunstvollen Montagen, die der belgische Fotograf Filip Dujardin (*1971 in Gent) mit seinen „Fictions“ jetzt erstmals in einer aufwendigen Monographie bei Hatje Cantz vorstellt,  zeigen eine berauschende Bilderwelt, eine Traumwelt unmöglicher Bauten, schrecklicher, verzaubernder, gelegentlich verzaubernd schrecklicher Architektur-(Alp-)Träume. Seit 2007 arbeitet er an dieser Serie, „deren Humor und Unterhaltungswert mit kunstgeschichtlichen Referenzen einhergeht: Fictions präsentiert wundervolle Architekturen im Gewand konzeptioneller Sachlichkeit und ist so voller spielerischer Komik und dezenter Persiflage.“ (Verlagstext). Dujardin fügt mit Hilfe digitaler Collagetechnik Fotografien real existierender Bauten seiner Geburtsstadt Gent und ihrer Umgebung zu statisch unmöglichen Gebäuden, surrealistischen Sujets zusammen. Traumschlösser läßt er ebenso entstehen wie wahre Alpträume von lebensfeindlichen Slums, zwecklose Zweckbauten stehen neben aberwitzigen, unbewohnbaren Wohnkomplexen, gegen die Marzahn und die Banlieus von Paris Knusperhäuschen sind. Zugemauerte Fassaden signalisieren wie Wellblechhütten-Türme unter Autobahnbrücken und auf der grünen Wiese Lebensfeindlichkeit, andere Brücken stehen sinnentleert wie reale kommunale Bausünden in der Landschaft, ein Dächermeer ohne Fenster und Türen vermittelt die Anmutung der Enge einer mittelalterlichen Kleinstadt, die Schilda heißen könnte und bei Deauville versinkt ein Fachwerkschlößchen in einer Wanderdüne. 

 
 
Das Umblättern des opulent gemachten Bandes mit den präzise gestalteten Bildern von Filip Dujardins surrealen Welten, etwa von den Ausmaßen einer Langspielplatte, ist wie ein um die nächste Ecke biegen, hinter der jedes Mal eine neue schrecklich schöne Überraschung wartet. Es bleibt dabei nicht beim einmaligen Betrachten – die Bilder verlangen wieder und wieder einen Besuch in der Traumstadt.
 
Filip Dujardin – „Fictions“
Text von Pedro Gadanho, Gestaltung von Sven Beirnaert
Deutsch, Englisch
© 2014 Hatje Cantz, 120 Seiten, gebunden, 29,60 x 27,70 cm, 102 farbige Abbildungen
ISBN 978-3-7757-3802-6
39,80 €

 
 
Weitere Informationen:  www.hatjecantz.com