Leichte Kost mit etwas Tiefgang Ein Käfig voller Narren im TiC-Theater
Musical von Harvey Fierstein/Jerry Herman
nach dem Theaterstück von Jean Poiret
„Es macht Spaß, auf der offensiven Seite eines Schocks zu sein.“
Inszenierung: Patrick Stanke – Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Dana Großmann – Bühne: Thomas Pfau – Kostüme: Thomas Pfau & Mariola Kopczynski – Maske: Heike Kehrwisch - Fotos: Martin Mazur
Besetzung (der Premiere): Georges (André Klem) – Albin (Christian Michalak) – Jacob (Joachim Kirchner) – Jean-Michel (Florian Sigmund) – Anne/CloClo (Lara Postler) – Chantal (Kevin Kornwinkel) - Hanna (Detlef Schulz) – Marie Dindon (Sabine Henke) – Edouard Dindon (Reinhard Clement)
Das „La Cage aux Folles“ in St. Tropez ist der Nabel der Travestie-Welt. Georges und Albin, sein Lebenspartner seit 20 Jahren, zugleich als „ZaZa“ umschwärmter Star des Clubs, führen daneben ein erzbürgerliches Leben, haben sogar mit Anstand und Liebe Georges leiblichen Sohn Jean-Michel – Ergebnis eines früheren Fehltritts mit der schönsten Revuetänzerin des Lido - aufgezogen. Als sich der in Anne verliebt und sie heiraten will, möchten deren Eltern auch seine Eltern kennenlernen. Daß Monsieur Dindon als konservativer Parlamentarier ein Tugendwächter und Feind des „La Cage auc Folles“ ist, macht die ohnehin verzwickte Sache nicht leichter. Woher die Mutter nehmen und wohin solange mit Albin/ZaZa? Wie den Zusammenhang mit dem Club im selben Haus verschleiern? Burleske Momente, aber auch seelische Wunden sind vorprogrammiert. Denn die Herren Damen können ja nicht einfach auf Schwuchteln in Plüsch-Puschen reduziert werden, weil sie wie du und ich nichts weiter als verletzliche Menschenkinder sind - auch wenn oder gerade weil sie in Strapsen, Leder-Mieder und High-Heels durch die Szene stöckeln.
Vor 41 Jahren 1973 bei der Uraufführung in Paris ein Riesenerfolg, durch die Verfilmung 1978 und die Broadway-Musical-Fassung 1983 weltweit gefragt, griff das Stück damals auf vordergründig leichte Art ein gesellschaftliches Problem auf: die Akzeptanz von und den Umgang mit Homosexualität in ihrer schillerndsten Form, der Travestie. Heute wirkt die Handlung etwas angestaubt, an den Federboas hat der Zahn der Zeit genagt, der Glimmer bräuchte eine Politur, insgesamt fehlt die einstige Verve, was auch an der etwas behäbigen Inszenierung Patrick Stankes, der noch etwas hölzernen Choreographie von Dana Großmann und an dem trotz ordentlicher Ensemble-Leistung in den schönen Kostümen von Mariola Kopczynski fehlenden letzten Biß liegen mag. Ihre Songs allerdings, wie u.a. die Hymne der schwulen Szene „Ich bin was ich bin“ bringen sie mit Herz und Überzeugung ergreifend auf die Bühne. Erster Höhepunkt ist schon Christian Michalaks brillanter Auftritt als ZaZa mit dem Song „Ein bißchen mehr Mascara“, der ihn stimmsicher sofort ins Zentrum des Geschehens katapultiert, eine Position, die er bis zum Happy End nicht hergibt. An der Seite von André Klem, der als moralisch zerrissener George im schnellen Szenenwechsel mehr als einen Anzug durchschwitzte, bildet er ohne überzogene Dramatik mit diesem ein glaubhaft in Liebe verbundenes Paar. Ihnen gehört auch die schönste Szene des langen Abends, der Dialog und das Lied „Die schönste Zeit ist heut“ zu Beginn des zweiten Akts. Und ein weiter Darsteller verschaffte seinen Figuren Jacob/Butler mit viel Humor und Koketterie warmherzig Profil: Joachim Kirchner – eine Schwuchtel zum liebhaben. Die Musik (Stefan Hüfner) kann mitreißen, alles wird gut, der Schluß wirkt etwas überstürzt, aber das Publikum wußte den im Großen und Ganzen gelungenen Abend im „La Cage aux Folles“ zu schätzen. Langer Beifall.
Weitere Informationen: www.tic-theater.de
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