Verwählt

Telefon-Monolog (am Heiligabend?)

von Horst Wolf Müller

Foto © Frank Becker

Verwählt

(Telefon läutet)

Nagel.
Na - gel.
Wieso ? Weil ich so heiße. -
Nein, bin ich nicht.
Ich bin kein Taxiunternehmen und ich habe keins.
Dann hat man sie falsch informiert.
Dann haben Sie eben eine falsche Nummer.
Nie ist ein großes Wort.
Dann ist das heute eben eine Premiere.
Einmal irrt sich auch der Unfehlbarste.
Ich Sie veräppeln - wozu ?
Das ist sehr schön für Sie, meines ist nicht so gut, ich kann besser Namen behalten.
Dann sind Sie ein Zahlengenie.
Es ist Ihnen aber passiert.
Wieso soll ich Ihnen meine Nummer sagen, ich bin kein Auskunftsbüro.
Sie irren sich mit absoluter Sicherheit.
Es sei denn ich bin geistesgestört und halte mich für jemanden, der ich gar nicht bin. Vielleicht war ich in meinem früheren Leben mal ein Taxiunternehmer.
Ich Buddhist ? Nein, wieso ?
An was ich glaube ?
Sagen Sie mal, wollen Sie nicht ein bißchen viel wissen von einem Menschen, den Sie überhaupt nicht kennen?
Ich habe auch einen klar umrissenen Eindruck von Ihnen, das dürfen Sie wohl annehmen.
455 455.
Nein ich habe keinen Schwager bei der Post.
Ich habe eben eine solche Nummer bekommen. Glück. Vielleicht war es Glück.
Nein, ich kenne keine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Will ich auch nicht kennen.
Wieso sperre ich mich ?
Ja, ich bin bildungswillig, sehr sogar, aber nicht am Telefon. Ich mache Fernkurse mit und alles mögliche, allerdings nicht in Mathematik.
Nein, auch nicht in Mnemotechnik.
Das ist mir im Moment schnurzegal.
Sie ? Mathematiklehrer ?
Ja, schön , schön für sie.
Nein, ich war nicht gut in Mathematik.
In Musik auch nicht, jedenfalls nicht besonders.
Ja, im Kinderchor habe ich mal mitgesungen.
Ja, Sie haben richtig geraten, ich möchte jetzt nicht plaudern.
Wie ?
Allerdings habe ich einen Wagen.
Wozu wollen sie das denn wissen ?.
Ja, viertürig.
Ich habe nichts vor, aber was soll das?
Ich sagte Ihnen bereits, daß ich kein Taxiunternehmen bin.
Und auch keine Wohltätigkeitsorganisation.
Ich - ob ich ?
Wehen - nein.
Nicht erlebt, auch nicht miterlebt.
Mein Gott, Ihre Frau ist ja vielleicht nicht die einzige in dieser Stadt, die ein Kind bekommt.
Ich sehe nicht ein, warum sie dieses verdammte Taxiunternehmen, nicht anrufen wollen.
Dann rufen sie die Auskunft an. 1188.
Was heißt hier hilfsbereit, natürlich bin ich hilfsbereit, im Ernstfall.
Mir ist sehr viel heilig.
Ja, auch ungeborenes Leben.
Ja, ich habe Kinder, verdammt nochmal.
Nein, habe ich noch nicht, ich will auch keine toten Babies sehen.
Okay, sie gewinnen.
Ich fahre Ihre Frau in die Klinik.
Wohin soll ich kommen ? - Blücherstraße 48. Kaminsky.

Danke.



© Horst Wolf Müller - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007