Genozid !

ISIS - Die Rolle der Türkei

von Ludwig Lenis

Genozid !
 
Vor knapp einhundert Jahren, im April 1915 begann der schreckliche Völkermord der Türken an den Armeniern, dem rund 1.500.000 Menschen zum Opfer fielen und zu dem sich die Türkei bis heute nicht bekennt. Damals schaffte sich der osmanisch-islamische Staat, während die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch den 1. Weltkrieg gefangen war, mit unglaublicher Brutalität und gegen jedes Menschenrecht vor aller Augen mit einem Massenmord eine unerwünschte christliche Volksgruppe vom Hals. Und die Welt unternahm nichts.
 
Heute, in diesen Tagen und Stunden massakriert eine den Weltfrieden bedrohende islamische Terrorbande, die das Ziel einer Herrschaft der menschenverachtenden Scharia in einem Staat ohne Kultur und mit absoluter Männerherrschaft anstrebt, im Irak und in Syrien eine andere Volksgruppe, die der Türkei ein Dorn im Auge ist: die Kurden. Die Nachrichten sind erschütternd: unmittelbar an der Grenze zum NATO-Staat Türkei, in den Hunderttausende Kurden ihr nacktes Leben zu retten versuchen, in Sichtweite der Grenzposten wird eine autonome kurdische Stadt von ISIS-Mördern überrannt, die Mädchen und Frauen schänden, Kinder töten oder entführen, westliche Geiseln vor laufender Kamera enthaupten, jeden töten, der nicht ihren radikalen Ideen entspricht. Die Panzer des NATO-Mitglieds Türkei stehen an der Grenze und greifen nicht ein, während Staatspräsident Erdogan und Regierungschef Davutoğlu etwas von kurdischen „Brüdern“ salbadern, für deren Schutz man alles tun werde. Man tut aber nichts. Die Türkei öffnet nicht einmal ihre Militärbasen für die Allianz gegen den Terror. Die Wahrheit ist, daß die Türkei die ISIS-Bande, wieder vor den Augen der Weltöffentlichkeit, das Geschäft besorgen läßt, das sie selber nicht besorgen kann. In aller Ruhe wartet man ab, bis die kurdischen Verteidiger abgeschlachtet sind und der Türkei keinen Ärger mehr bereiten können. Wer in der Türkei auf der Straße dagegen demonstriert, wird niedergeknüppelt oder gar erschossen.
 
Zwar fliegen mit den USA einige westliche und arabische Staaten Luftangriffe gegen die ISIS, doch ohne spürbaren Effekt, zwar liefert Deutschland den Kurden mit peinlicher Zeitverzögerung ausgemusterte Waffen, über deren Tauglichkeit glaubhafte Zweifel bestehen dürfen und schickt sechs (!) Ausbilder, um die Kämpfer daran zu unterweisen, doch das alles sieht so halbherzig aus, als habe man die Kurden, den Irak und Syrien schon planvoll aufgegeben. Das alles wirkt wie reine Augenwischerei. Niemand schneidet den Terroristen die Nachschubwege für Waffen und Munition ab, niemand geht zu Lande gegen die Bande vor, niemand schickt UNO-Truppen zum Schutz der Bedrängten. Niemand hindert z.B. verblendete junge Deutsche oder in Deutschland lebende Ausländer daran, sich von deutschem Boden aus den Mördern anzuschließen. Auch damit lädt ein Staat schwere Schuld auf sich.
 
Wir werden eines Tages die ganze Wahrheit, die schrecklichen Fakten über den ISIS-Terror erfahren, in unseren Zeitungen die Zahlen der Ermordeten, Geschändeten, Gedemütigten lesen können. Dann wird alle Welt betroffen sein und Krokodilstränen vergießen. Man wird die Überlebenden mit großen Worten trösten, plakativ ein paar Krüppel ins Land holen, um ihnen Prothesen anzupassen – und sich toll fühlen. Ich kann Claudia Roth eigentlich nicht ausstehen, aber ich bewundere ihre Haltung und ihre offene Anklage gegen die „dreckige Politik“ der Türkei.