„Ohne Camille Pissarro hätte es die impressionistische Bewegung so nicht gegeben“
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum würdigt den Maler ab Sonntag
mit einer großen Ausstellung als „Vater des Impressionismus“
Mit der Ausstellung „Pissarro - Vater des Impressionismus“ gibt es im Wuppertaler Von der Heydt-Museum ab kommendem Dienstag bereits die sechste große Ausstellung zu Malern des Impressionismus. Nach der ersten Impressionisten-Ausstellung über die „Schule von Barbizon" waren Renoir, Sisley, Monet und Bonnard Publikumsmagneten. Nun widmet sich Museumschef Gerhard Finckh dem 1830 auf der dänischen Antillen-Insel Saint Thomas geborenen Camille Pissarro (1830-1903). „Ohne ihn hätte es die impressionistische Bewegung so nicht gegeben“, erklärte Finckh am Donnerstag beim Rundgang durch die imponierende Schau, die bis zum 22. Februar nächsten Jahres geplant ist.
Die Ausstellung zeigt 64 kostbare Gemälde und 61 Grafiken, Drucke und Zeichnungen des Künstlers, der bis zu seinem 40. Lebensjahr bereits rund 1.500 Werke geschaffen hatte. Bilder nahezu aller seiner impressionistischen Freunde und Kollegen begleiten thematisch die trotz schmerzhafter Bestandsverluste opulente Präsentation, indem sie den Werken Camille Pissarros etwa 30 Bilder, meist aus Wuppertaler Beständen an die Seite stellt, die von mit Pissarro befreundeten Impressionisten stammen und die die gegenseitige Beeinflussung sowohl in der Malweise als auch bei den Motiven zeigen. Von Pissarros Frühwerk sind nämlich nur etwa 50 Exponate erhalten geblieben, von denen einige aus der Frühzeit auf St. Thomas zu sehen sind. Die meisten der frühen Bilder Pissarros wurden im Zusammenhang mit dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 von deutschen Truppen geplündert und zerstört. Umso schöner, daß es den Ausstellern in Wuppertal gelang, Exponate aus dem ebenso umfangreichen Spätwerk des Künstlers aus weltweit insgesamt 49 Museen von A (Amsterdam) bis Z (Zürich) für die Dauer der Schau auszuleihen.
Pissarro, Sohn eines jüdischen Kaufmanns französischer Abstammung, hat von 1852 bis 1854 auch in Venezuela gelebt und gemalt. Die Ausstellung beginnt dann auch mit Bildern karibischer Landschaften, mit Palmen und Sonnenuntergängen. Wunderschön das Ölbild „Zwei Frauen am Meer ins Gespräch vertieft“, das eine Szene von der Insel St. Thomas zeigt. 1855 ging Pissarro nach Frankreich, wo er unter anderem den Maler Camille Corot traf, der für einige Jahre sein Mentor wurde. Wenige Jahre später lernte er Claude Monet kennen, der 10 Jahre jünger war und mit dem Pissarro auf den Spuren der Maler der „Schule von Barbizon“ arbeitete - fast immer vor dem Motiv im Freien.
Für Gerhard Finckh ist Pissarro „die Zentralfigur des Impressionismus“. Die jungen Maler wie etwa Cézanne, Manet, Monet, Gauguin und van Gogh, mit denen Pissarro befreundet und künstlerisch verbunden war, wurden in den Pariser Salons kaum ausgestellt und konnten von ihren Werken so gut wie nichts verkaufen. Als Pissarro 1874 eine Kooperative mit insgesamt 30 Künstlern gründete und erstmals eine gemeinsame Ausstellung organisierte, blieb der erwartete Erfolg aus. „Einer der Kritiker verspottete die Gruppe als Maler, die nichts als Eindrücke (Impressionen) anzubieten hätten“, woraus der herabsetzend gemeinte Name „Impressionisten“ wurde, so Finckh. Pissarro sei es gewesen, der die Gruppe dennoch beisammen gehalten und das Motto ausgegeben habe, „aus dem Spottnamen ein Markenzeichen“ zu machen. Er sollte Recht behalten.
Besonders verbunden war Pissarro in dieser Zeit mit dem Maler Vincent van Gogh. Beide hätten von der Freundschaft auch künstlerisch profitiert. „Es war ein Geben und Nehmen“, so Gerhard Finckh. Auch die Zuneigung zu den ärmeren Bevölkerungsschichten und zu Bauern und Arbeitern, die beide Künstler häufig zum Gegenstand ihrer Werke machten, hat die Maler vereint. Als Pissarro etwas wohlhabender wurde, unterstützte er zwar nicht die anarchistische Bewegung, doch Inhaftierte Anarchisten und ihre Familien dadurch, daß er Texte schrieb und ihnen Drucke zur Bebilderung zur Verfügung stellte. 1879 begegnete Pissaro dem Bankier und leidenschftlichen Maler Paul Gauguin, mit dem ihn ebenfalls eine künstlerische Freundschaft mit stilistischem Geben und Nehmen verband. Später wird er ihn kritisieren, was zum Zerwürfnis führt.
Die Ölbilder und Graphiken Pissarros zeigen über die Jahrzehnte, daß dieser Maler stets bereit war, Neues auszuprobieren. Zu Beginn seiner Laufbahn arbeitete er klassizistisch, dann romantisch, später und nach einem Ausflug in den Pointilismus, den der große Pointilist Georges Seurat ihm zuschreibt, wieder impressionistisch, denn er hatte erkannt, daß der Pointilismus „zu spröde und zu trocken“ für die Themen seiner Bilder war. Finckh erkennt in Pissarro einen „intensiver Arbeiter“, der „ein bedeutender Markstein in der Kunstgeschichte ist.“ Die Ausstellung zeigt Bilder aus dem persönlichen Umfeld des Malers, Bilder von Obstgärten, Szenen aus dem Haushalt, einige Landschaftsbilder, überraschende Stilleben, Pissarros Frau bei Handarbeiten und immer mal wieder ein Selbstporträt des Malers mit langem Rauschebart. Wer nach deftigen weiblichen Akten sucht, muß sich mit Eugène Carrières Rückenakt und Henri deToulouse-Lautrecs „Dicker Maria“ aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums bescheiden - die drei winzigen, beinahe verschämten Graphiken Pissarros und seine eine kraftvolle Männerakt-Studie wirken dagegen wie heimliche Versuche und können sich mit der spürbaren Lust seiner impressionistischen Kollegen nicht messen.
Pissarro malte, was er tagtäglich sah - Bilder von Waldwegen und Berghängen um Pontoise und Eragny, Lastkähne auf der Oise, Brücken, dazu Schneelandschaften - und immer wieder auch die Landbevölkerung und Marktleute, deren schwere Arbeit und hartes Leben ihn beeindruckten, schließlich Paris mit seinen wimmelnden Straßenszenen (siehe unten: Place du Theatre Francais) - seine Palette an Themen. „Die harte Arbeit armer Leute als Idylle zu idealisieren lag ihm fern“, so Finckh. Pissarro zeigt die mühsamen Erntearbeiten, das Säen, Katoffelsetzen oder das Schleppen riesiger Reisigbündel durchaus realistisch und beinahe schon dokumentarisch. In seinen letzten 10 Lebensjahren - Pissarro starb 1903 in Paris - schuf er rund 300 Werke aus der französischen Hauptstadt. Wunderschön etwa das Bild „Boulevard Montmartre bei Nacht“, das ihn bereits in die Nähe der kommenden deutschen Sezession z.B. eines Lesser Ury rückt oder „Blick von der Point-Neuf auf die Seine und den Louvre“, das er wie eine Vorwegnahme von Henri Matisse u.a. im Jahr seines Todes 1903 malte.
Zur Ausstellung ist mit Hilfe der Jackstädt-Stiftung ein von Dr. Gerhard Finckh herausgegebener, prachtvoller 400 Seiten starker und reich bebilderter Katalog erschienen, der mit Beiträgen von Joachim Pissarro, Regine Gerhardt, Claire Durand-Ruel Snollaerts, Eberhard Illner, Stefan Koldehoff, Stefan Lüdemann, Christophe Duvivier, Karin Sagner und Ulrike Aschhoff ein komplexes Lebens- und Werkbild Camille Pissarros zeichnet. Der solide gebundene Katalog (ISBN 978-3-89202-091-2) ist in der Ausstellung für den unschlagbar niedrigen Preis von 25,- zu erwerben. Eine DVD (ca. 42 Minuten) zu Pissarro und der Ausstellung wird für 15,- € zu haben sein.
Die Ausstellung ist dienstags und mittwochs von 11 bis 18 Uhr, donnerstags und freitags von 11 bis 20 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Vernissage am Sonntag, 12.10.14 - Führungen können im Internet gebucht werden.
Gleichzeitig zeigt das Von der Heydt-Museum die Ausstellungen: „Jochen Stücke - Pariser Album“ und „Von 1900 bis heute“ - Bilder aus den Beständen des Von der Heydt-Museums. Weitere Informationen: www.pissarro-ausstellung.de
Redaktion: Frank Becker |