Gut eingeschenkt!

P.G. Wodehouse – „Mulliner schenkt ein“

von Robert Sernatini

Was man mit einem toten Gnu tut...
 
Dieses Buch hat außer einem Lesebändchen (dafür liegt ein Lesezeichen ein) alles, aber auch alles, was ein gutes Buch braucht. Haptisch wie optisch ein Vergnügen, birgt es im handlichen Format von 17 x 13 cm zwischen seinen taschenfreundlichen Deckeln mit abgerundeten Ecken und mit delikatem Vorsatzpapier auch eine literarische Delikatesse: die erste deutschsprachige Fassung der bereits 1929 in England erschienenen brillanten Sammlung von Erzählungen „Mr. Mulliner Speaking“ des unvergleichlichen P.G. Wodehouse.
 
Thomas Schlachter hat in bewährter Art - er steht ja auch für die anderen bei Epoca erschienenen Wodehouse-Bände - die geniale Übersetzung besorgt, wofür ihm unbedingt ein namhafter Literatur-Preis gebührt. Aber Übersetzer werden leider nur zu oft bei der Betrachtung der von ihnen übertragenen Texte vernachlässigt. Das kann und darf hier nicht geschehen, denn was Thomas Schlachter geschafft hat, ist das nahezu Unmögliche: den wundervollen britischen Humor des P.G. Wodehouse der 20er Jahre völlig verlustfrei in eine deutsche Form zu bringen, die von der ersten Seite dieses kostbaren Buches an dem Leser glucksendes Lachen schenkt.
 
Man lasse sich nur einen Auszug des Schlußdialogs zwischen dem Mulliner-Sproß Archibald, dessen bemerkenswerteste Fähigkeit in der Imitation einer ein Ei legenden Henne besteht und der schönen, für höchste Moral stehenden Aurelia der die Sammlung eröffnenden Erzählung „Archibald legt ein Ei“ auf den Synapsen zergehen:
--- »Aurelia, meine Zuckerbiene«, sprach Archibald Mulliner klar und fest, »du bist 'ne einsame Wucht!«
Und bei diesen Worten schien sie in seinen Armen zu schmelzen. Ihr liebliches Antlitz sah zu ihm hoch.
»Archibald!« hauchte sie.
Erneut trat gespannte Ruhe ein, welche einzig gestört wurde vom Pochen zweier Herzen und dem Gekeuche einer Bulldogge, um deren Bronchien es nicht zum besten stand. Schließlich löste Archibald die Arme von Aurelia.
»Das wär's«, sagte er. »Prima, daß wir das geklärt und alles unter Dach und Fach haben. Ach, hätt' ich doch bloß 'ne Zigarette! In so einem Moment braucht man einfach eine.«
Erstaunt blickte sie ihn an.
»Und ich habe geglaubt, du rauchst nicht.«
»Aber ja doch!«
»Und du trinkst gleichermaßen?«
»Mindestens gleichermaßen!« bestätigte Archibald. »Ach, übrigens ...«
»Ja?«
»Da wäre noch 'ne Kleinigkeit. Mal angenommen, deine Tante kommt zu Besuch, nachdem wir uns in unserem warmen Nest eingerichtet ha­ben: Was hältst du davon, daß wir ihr eine sandgefüllte Socke über den Krachschädel ziehen?«
»Nichts«, sagte Aurelia feurig, »könnte mehr nach meinem Geschmack sein!«
»Seelenverwandte!« rief Archibald. »Genau das sind wir, bei Licht be­trachtet. Den Verdacht hatte ich schon lange, doch nun weiß ich es. Zwei gute alte Seelenverwandte.« Leidenschaftlich schloß er sie in die Arme. ---

So geht das fort in „Mulliner schenkt ein“, dessen Erzählungen ein ununterbrochener Born der Freude sind. Es geht natürlich um das Zwischenmenschliche, ob es nun Archibald, Cousin Cedric, Nichte Charlotte, Neffe Osbert, Roberta Wickham oder Algy Crafts betrifft. Die Figuren, besser: Karikaturen, die Wodehouse liebevoll-bissig skizziert - nehmen wir Colonel Pashley-Drake als Beispiel - sind die Essenz des versinkenden Großbritannien seiner Zeit. Vieles, zumal die jeweils einleitenden Szenen im „Angler´s Rest“ in dem das beliebte und begnadete, warmherzige Schankmädchen Miss Postlethwaite für das Wohl der Gäste sorgt, liest man mit wachsendem Vergnügen wieder und wieder. P.G. Wodehouse und sein kongenialer Übersetzer Thomas Schlachter haben uns mit diesem neuen Band der Edition ein weiteres literarisches Juwel geschenkt, dessen Funkeln geeignet ist, selbst in die dunkelsten Ecken unserer Seelen ein heiteres Licht zu tragen. Ein Hoch auf Wodehouse/Schlachter und für das exzellente Buch den Musenkuß!  
 
P.G. Wodehouse – „Mulliner schenkt ein“
Erzählungen - Deutsch von Thomas Schlachter

© 2009 Edition Epoca Zürich, 239 Seiten, geb., silber-geprägter Titel, feines Vorsatzpapier
19,95 €

Weitere Informationen unter: www.epoca.ch