Vom guten Essen in guter Gesellschaft (3)

Lukullische Abschweifungen

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Vom guten Essen in guter Gesellschaft (3)
Lukullische Abschweifungen

Gut, jetzt wissen wir: gegessen haben die Menschen immer und seit ein paar hunderttausend Jahren haben sie auch gekocht. Bei der Kunst des Kochens aber ist es genau so wie bei anderen Künsten: wirklich vorangetrieben wird sie von einzelnen herausragenden Künstlern, den Mozarts und Beethovens der Küche, den Paganinis der Schneebesen, den Michelangelos der Aufläufe oder den Picassos der Gratins, falls es sich um die Molekularköche handelt.
Wer aber sind diese Großen? Kann man da wie in der Kunst Strömungen feststellen oder alles in Epochen einteilen? Könnte man sicher, aber dieses Buch muß erst geschrieben werden: die Kunstgeschichte des Kochens, damit man weiß, wo die Romantik ist, die Klassik oder der Saucen-Impressionismus. Man kann von drei Köchen aber sagen: die gehören mit Sicherheit zu den ganz, ganz Großen, sie haben das Kochen verändert.

Fangen wir mit Guillaume Tirell an, der den Spitznamen „Taillevent“ bekam, was man mit Schneidewind übersetzen könnte. Warum er diesen Namen bekam, wissen wir nicht, vielleicht hat er so schnell Möhrchen schneiden können, daß man wie in dem Märchen der Brüder Grimm darunter nicht naß wurde, wenns beim Grillen draußen geregnet hat.
 
Er hat von 1312 ca. – das weiß man da nie genau – bis 1395 gelebt, dieses Jahr steht jedenfalls auf der wunderschönen Grabplatte, die heute im Museum von St. Germain ist. Da sieht man ihn zwischen seinen beiden Frauen, die er natürlich, wie es sich gehört, nacheinander hatte. Die beiden stehen mit gefalteten Händen in langen Abendroben von, ich schätze mal, Gaultier und Thierry Mugler da, die Schnitte könnte man als eher avantgardistisch bezeichnen, er selber ist als Ritter verkleidet, denn er war ja keiner, also da sieht er aus, als bräuchte er zum Ausziehen den berühmten Dosenöffner, was ja auch mit Küche, wenn auch mit schlechter, zu tun hätte und er hat sein Wappen vor sich: drei Kochtöpfe mit Henkel im mittleren Balken und drüber und darunter jeweils drei Rosen.
Er steht quasi auf einem Hund: ob das jetzt symbolisieren soll, daß er der chinesischen Küche zugetan war und schon mal einen Hund gekocht hat oder ob das einfach nur ein Wappenhund ist – wir wissen es nicht.
Jedenfalls wurde der kleine Guillaume quasi im Hundumdrehen, äh im Handumdrehen, bekannt, denn schon 1326 ist er das erste Mal erwähnt, da war er so um die vierzehn und Küchenjunge bei der Königin Johanna von Evreux, welchselbe die Gattin von Karl dem Schönen war.
 
Warum er da erwähnt wird – man weiß es nicht, vielleicht war er schön, vielleicht war er der Lover der als etwas wollüstig geltenden Königin, jedenfalls kochte er sich schnell hoch: Koch bei Philipp VI., dann bei Karl V., aber nicht dem mit dem Vorbiß, in dessen Königreich die Sonne nicht unterging (quasi der Habsburger-Biolek), sondern dem französischen König Karl V. Der hat zum einen die Engländer aus Frankreich getrieben, was man ihm heute noch dankt, und zum anderen war er ein großer Büchersammler und das ist für unseren Taillevent wichtig, weil: der König regte seinen Koch an, ein Kochbuch zu schreiben, um seine Kunst der Nachwelt zu erhalten und genau das hat Taillevent getan: „Le Viandier“ heißt das Buch und ist der Grundstein, auf dem die moderne Küche aufbaut. Da hat er nicht nur das Wissen zusammengetragen von der Antike bis ins Mittelalter, er war der erste, der richtig systematisch gekocht hat:
Das Fleisch vor dem Braten zu Kochen scheint seine Idee gewesen zu sein. Damit hat er ganze Jahrhunderte geprägt. Man konnte so auch zähes Fleisch braten und man machte es länger haltbar, wenn man es vorher kochte. Ansonsten könnte man seine Rezepte alle heute noch nachkochen, aber essen sollte man es nicht: Da sind wir nicht mehr gebaut für.
 
Das ist endlos schwere Küche, die „dodine rouge“ z.B., eine Rotweinsauce, da war drin: in Rotwein getauchtes gegrilltes Brot, in Speck gebratene Zwiebeln, Zimt, Muskat, Gewürznelken, Zucker, Salz und Entenfett und dann wird das Ganze auch noch unter den Spieß gehalten, damit das Bratenfett vom Ochsen hineintropfen kann. Also in der Eifel würden die das vielleicht noch vertragen, aber unsereins... Nur: im Vergleich zu dem, was die bis Taillevent gegessen haben, war das schon Küche light!

Wenn es Ihnen bisher Spaß gemacht hat, ein wenig über die Geschichte der Küche zu lesen, schalten Sie in den nächsten Wochen an dieser Stelle wieder ein, dann erzähle ich Ihnen noch ein bißchen mehr.


In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher

©  2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker