Hier darf das Publikum fröhlich sündigen

Roger Willemsen und die „Todsünden des klassischen Konzerts“

von Daniel Diekhans

Roger Willemsen - Foto © Anita Affentranger
Hier darf das Publikum fröhlich sündigen
 
In Wuppertal zelebriert Roger Willemsen die
„Todsünden des klassischen Konzerts“
 
Klassische Konzertgänger benehmen sich oft daneben. Sie husten und niesen in die Musik hinein. Oder – ein echter Klassiker – sie applaudieren an den falschen Stellen. Mit „Wann darf ich klatschen?“ schrieb der Geiger Daniel Hope das passende Ratgeberbuch. Roger Willemsen entwickelte rund um das Thema ein komplettes Bühnenprogramm. „Die Todsünden des klassischen Konzerts“ präsentierte der Fernsehmoderator und Schriftsteller zusammen mit dem Sinfonieorchester Wuppertal. Sein Programm mit Musik von Mozart war der Höhepunkt des ersten Familienmusikfests, das am vergangenen Sonntag die Wuppertaler Stadthalle füllte.
 
Zwei Stunden lang nämlich sorgten Moderator und Musiker für beste Unterhaltung. Die Konzertbesucher brauchten sich hier ihrer Fauxpas nicht zu schämen, sondern durften herzhaft darüber lachten. Gelegenheiten gab es genug. So verspäteten sich einige Besucher nur deshalb, weil Dirigent Johannes Klumpp und das Orchester vor dem offiziellen Konzertbeginn mit der „Idomeneo“-Ouvertüre loslegte. Daß Willemsen sich als großer „Sünder“ hervortat, steigerte die allgemeine Heiterkeit noch. Als Chef vom Ganzen nahm er sich das Recht heraus, das Orchester zu unterbrechen, wenn ihm die Musik nicht paßte und wünschte sich etwas anderes. Gern klatschte er zwischen den Sätzen, was viele Nachahmer fand. Klumpp wiederum stiftete das Publikum zum Mitklatschen an. Undenkbar in einem „ernsthaften“ klassischen Konzert wären auch die spitzzüngigen Wortgefechte zwischen Moderator und Dirigent. Mit dem berühmt-berüchtigten Satz „Das könnte ich auch!“ vertrieb Willemsen seinen Sidekick vom Dirigentenpult. Die Musiker jedoch verweigerten ihm die Gefolgschaft.
 
Spaß beiseite. Abgesehen von den amüsanten Wortbeiträgen erlebte das Publikum ein tolles Konzert. Nachwuchsdirigent Klumpp ließ die „Idomeneo“-Ouvertüre derart schmissig spielen, daß hinter dem Bild des verklärten Genies wieder der großartige Unterhaltungsmusiker Mozart erkennbar wurde. Überzeugend gestaltet war auch die „Sinfonie A-Dur“, deren Transparenz Willemsen zu Recht lobte. Mit Verve interpretierten die Musiker die „Kleine Nachtmusik“. Und unabhängig vom Dirigenten. Denn Klumpp verzog sich mitten im ersten Satz auf die Hinterbühne, um sich zusammen mit Roger Willemsen ein Glas Wein zu genehmigen. Nach einem solchen Konzert konnte man den beiden auch diese letzte „Todsünde“ noch verzeihen.
 
Weitere Informationen unter: www.stadthalle.de  und www.wuppertaler-buehnen.de