Melancholisierter Metamorphosen-Mix

Howard Jacobson - „Im Zoo“

von Andreas Greve

Melancholisierter Metamorphosen-Mix
von Howard Jacobson
 
Leserbrief von Greve, betr.:
Häufige Häutungen „Im Zoo“

Der englische Autor Howard Jacobson hat ein Buch geschrieben, das The Times „ein Meisterwerk“ nennt und über das Jonathan Safran Foer schwärmt: „Ich kenne keinen witzigeren noch lebenden Autor.“
 
Lieber Howard Jacobson,

die Times ist hingerissen von „von der Tiefe Ihrer Einblicke“. Auch ich bin davon angetan, wie gut Sie das ganze Elend des sterbenden Kulturguts Buch von allen Seiten zeigen. Beinahe hätte ich gesagt, auf den Punkt bringen, aber gerade das tun Sie nicht. Weder erzählerisch noch satirisch. Sie haben sich nicht entscheiden können, ob sie eine Satire liefern wollten, einen Roman oder eine Soap-Opera mit feuilletonistischem Kern. Die Brillanz haben Sie sich für den zweiten Teil des Buches aufgehoben, was allerdings den ersten, erzählerischen Teil sehr langatmig macht. Bis Seite 217 sollen wir mit Ihnen fiebern, ob Sie – als Antiheld und egomanischer Schriftsteller G. – Ihrer flotten Schwiegermutter Poppy endlich an die Wäsche gehen. Ich habe mich sogar gefragt, ob Sie den zweiten Teil nicht schon als reine Satire in der Schublade hatten, als jemand (vielleicht sogar Sie) Ihnen die öde Hausaufgabe verordnete, dieses schneidige Konstrukt des Irrwitzes künstlich mit echten Charakteren zu beatmen und quasi zu belletristisieren – was den ganzen Vorspann mit der verquasten Familiensituation nach sich zog. So lernen wir immerhin Ihre wunderschöne und hinreißend unzufriedene Frau Vanessa kennen, die zu dem allgemeinen Urteil, Sie hätten „den witzigsten Roman des Jahres“ geschrieben, nur gesagt hätte „hast Du nicht!“. Sie würde das nicht weiter begründen und ich schließe mich ihrem Reflex an.
 
Bereits auf Seite 108 steht zu lesen: „Wenn wir Komödianten spielen wollten, warum nannten wir uns dann nicht einfach Komödianten und ließen das restliche bißchen Buchgetue ganz unter den Tisch fallen? Erledigt waren wir sowieso. Die Komödianten hatten das Ruder übernommen.“
 
Zwischen witzig und schwarzem Humor liegen Welten. Witz hätte ich nicht mal selber merken müssen – mein Lachen hätte es mir ganz zwanglos mitgeteilt. Dem war aber nicht so. Tut mir leid. Auch für mich. Eigentlich wollte ich mir daraufhin noch eine zweite Chance geben und zur Lesung ins Literaturhaus gehen, um dort die in Ihrem Zoo-Buch als verschwunden beschworenen Leser glockenklar oder auch hysterisch lachen zu hören und so eines Besseren belehrt zu werden. Sowohl was das Buch angeht als auch die letzten Leser. Und um mich Ihres verschrobenen Charmes und Ihrer Brillanz auszusetzen, Mr. Jacobson. Oder dem Galgenhumor Ihres Helden Gid alias Guy alias Guido. Und mir erklären zu lassen, daß Autor und Held, selbst wenn es sich dabei um einen Schriftsteller handelt, nicht identisch sind. Wirklich? Sind Sie sich auch in diesem Extremfall ganz sicher? Und wie konnte es dann zu dieser Verzweiflungstat „Im Zoo“ kommen?
 
Mit besten Genesungswünschen
Andreas Greve
 
Howard Jacobson - „Im Zoo“ (Roman)
aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen
© 2014 DVA, 448 Seiten, gebunden – ISBN 978-3-421-04564-5
€ 24,99 [D] | € 25,70 [A] | Chf 35,50 | 978-3-421-04564-5
 
Weitere Informationen: www.randomhouse.de