Ein junger Tenor bezaubert das Publikum und Kritiker

Maximilian Schmitt - „Sentiment und Spukgestalten“

von Peter Bilsing


Maximilian Schmitt
Ein junger Tenor bezaubert das Publikum und den Kritiker
 
Sentiment und Spukgestalten - Wunderbares Konzert
mit romantischen Arien und dem fabelhaften WDR Sinfonieorchester Köln
Sonntag 11.Januar 2015
 
Was ist mit den Essener Musikfreunden los? Nur knapp 600 mit Mühe verkaufte Karten für ein Konzert auf absolutem Weltklasseniveau. Ein Traumabend. In der teuersten Kategorie mit 35 Euro waren die Karten geradezu geschenkt für das Gebotene. Verehrte Musikliebhaber und Konzertfreunde aus dem Ruhrgebiet, was ist los? Dafür bekommen Sie in den ganz großen Konzerttempeln dieser Welt gerade einmal eine Hör- oder Stehplatzkarte und es wird Ihnen wahrscheinlich in Wien, Mailand, Chicago oder Boston kaum Besseres geboten!
Oder lag es vielleicht am Programm? Aber kann es denn einen wunderbareren Themenabend geben als das Leitmotiv „Sentiment und Spukgestalten“? Ein noch perfekteres Arrangement von romantischen Arien ist doch zu diesem Thema kaum vorstellbar.
 
Eines der besten deutschen Rundfunkorchester, das WDR Sinfonieorchester Köln, brillierte geradezu schwelgerisch in allerhöchster Präzision mit den Ouvertüren zu Webers Oberon, Nicolais Lustigen Weibern von Windsor und Felix Mendelssohn Bartholdys nicht gerade häufig zu hörender Hebriden-Ouvertüre. Alles nicht alltäglich zu rezipierende Juwelen des Konzert- und Opernlebens. Darüber hinaus dirigiert von einem hoffentlich bald auch international anerkannten ganz großen jungen Talent unserer aktuellen vielversprechenden Dirigentengeneration: Patrick Lange; ein bemerkenswerter Dirigent mit großem musikalischen Herzen.
Ein Orchester, welches den internationalen Spitzenvergleich nicht scheuen muß. Immerhin hatten wir ja in der fabelhaften Essener Tonhalle in den letzten Jahren zum Vergleich nicht nur die American Top Five, sondern in letzter Zeit sogar praktisch alle Londoner Top-Orchester zur Auswahl. Hier brauchen sich die überragend aufspielenden Kölner nicht hinten anzustellen. Und dann bringen sie am Ende noch als Krönung Wagners große Rienzi-Ouvertüre auf einem Niveau, welches bewundernswürdig durchaus Bayreuther Format hatte; eine absolute Spitzenleistung. Und ich lasse als alter Wagnerianer dafür gerne meine rund 20 Top-Aufnahmen dieser grandiosen Ouvertüre im Platten-Schrank verstauben, denn das war Wagner vom Allerfeinsten, was dieses tolle Orchester allerdings schon beim Steuermannslied unter Beweis stellte. Die Musiker hätten euphorischeren Jubel für solche Glanzleistung verdient...
 
Und dann war da noch ein weiteres ganz großes junges Talente unserer Zeit zu entdecken, der Tenor Maximilian Schmitt. Ein Künstler, zu dem ich Ihnen garantiere, daß er auf dem ganz großen Sprung nach oben ist und in zehn bis zwanzig Jahren, bei weiterhin guter Pflege seiner Stimme und seines Repertoires, an den Spitzenhäusern dieser Welt zu Hause sein wird -  jetzt schon entdeckt von Weltklassedirigenten wie, pars pro toto Franz Welser-Möst, Trevor Pinnock oder René Jacobs. Bei Orchestern wie den Wiener Symphonikern, dem Cleveland Orchestra, dem der Tonhalle Orchester Zürich oder dem Gewandhausorchester Leipzig (um nur einige zu nennen) gilt Schmitt schon als respektabler Geheimtip. Schmitt sieht sich nicht nur als Konzertsänger - immerhin debütierte er 2012 als Tamino umjubelt an der Amsterdamer Oper in der grandiosen Zauberflöte von Simon McBurney (Dir. Marc Albrecht), die wegen ihres gigantischen Erfolgs 2015 wieder aufgenommen wird. Ein Reise-Muß für Mozartianer!
Maximilian Schmitt stellte sein breit gefächertes Repertoire am vergangenen Sonntag bewundernswert unter Beweis. Nicht nur mit der höchst selten zu hörenden Arie „Was quälst Du mich, o Mißgeschick“ aus Schuberts Oper Fierrabras, sondern auch beim populären (nebenbei einem der meist unterschätzten und wegen der relativ kleinen, aber ungemein schwierigen Partie selten so perfekt zu hörenden) Steuermannslied „mit Gewitter und Sturm“ (R. Wagner) wurde er vom Publikum zu Recht bejubelt.
Webers Euryanthe, dürfte heutzutage den meisten Opernfreunden ebenfalls unbekannt sein, und so muß den Planern dieses Abends eigentlich auch ein großes Bravo gelten: für die Hereinnahme der Romanze des Adolar „Unter blühenden Mandelbäumen“; natürlich gefolgt wieder von dem populären allseits geliebten „Nein, länger trag ich nicht die Qualen...“ aus Webers Freischütz, welches der Wundertenor nicht reißerisch, sondern im ehrlichen und überzeugenden Stil des alten deutschen Spieltenors ergreifend interpretierte. Intelligente Sangeskunst auf höchstem Niveau. Schmitts Textverständlichkeit und seine Diktion sind dabei vom Feinsten und man muß seine exzellenten Gesangslehrer hier lobend miterwähnen.
 
Der zweite Teil des Abends brachte nach der schon erwähnten Hebriden-Ouvertüre eine weitere Rarität ersten Ranges - oder kennen Sie, verehrte Opernfreunde, die letztes Jahr z.B. in Halle und Halberstadt (hoch leben die kleinen deutschen Häuser!) endlich ausgegrabene Oper Der Vampyr von Heinrich Marschner? Dann hören sie mal hinein, wie wunderbar die Arie des Edgar „wie ein schöner Frühlingsmorgen“ ist. Schmitt beherrschte sie so gut und sicher wie das finale Gebet des Cola Rienzi „Allmächtger Vater, blick herab...“, eine frühwagnerische Reminiszenz an die spätere Abendstern-Arie (Tannhäuser).
Besser, überzeugender und vielfältiger kann ein Sänger seine Qualitäten kaum präsentieren. Und als finale Zugabe dann noch einmal Flotow (vorher hörten wir schon „Wie freundlich strahlt der Tag“ aus der Oper Alessandro Stradella) - diesmal mit dem Publikums-Lieblingshit aus Martha „Ach so fromm, ach so traut...“. Nun Hand aufs Herz, liebe Opernfreunde, kann man schöner nach Hause geschickt werden, als mit diesem bezaubernden Ohrwurm? Ich glaube nicht.
 
Ein wunderbares Konzert, ein tolles, vielschichtiges Programm mit Bekanntem und Raritäten und mit superben Künstlern. Bitte prägen Sie sich den Namen Maximilian Schmitt ein! Besser und in überwältigenderer Qualität konnte das Konzertjahr 2015 in der Philharmonie Essen kaum beginnen. Bravi für alle Beteiligten und diese intelligente, ausgewogene, gelungene Programmgestaltung. Der Opernfreund-Kritiker schwebte wie das Publikum auf Wolke Sieben.