14.000 vor Christus - der Mensch kommt auf den Hund

„Eiszeitjäger - Leben im Paradies. Europa vor 15.000 Jahren“

von Friederike Hagemeyer

14.000 vor Christus -
der Mensch kommt auf den Hund
 
von Friederike Hagemeyer
 
Am Ende der Eiszeit werden in der Nähe des heutigen Ortes Oberkassel bei Bonn ein etwa 35 bis 45 Jahre alter Mann und eine ca. 25 Jahre alte Frau bestattet. Was sie im Jenseits benötigen, wird ihnen mitgegeben: Ihre Waffen, Pfeil, Bogen und Speer, kleinere Schmuckstücke wie z.B. eine (Haar?-)Nadel aus Knochen, ein kleines Flaches Stück Stein, in das ein Tier, vermutlich eine Elchkuh, eingeritzt wurde. Auch ihr treuer Gefährte, ein Hund, folgt ihnen wie im Leben auch in den Tod.
Es sind „anatomisch moderne Menschen“, steinzeitliche Jäger, aus der Zeit des Jungpaläolithikums, die hier ihre letzte Ruhe finden.
 
1914 nach Christus
 
Wie so oft, wird das Doppelgrab von Oberkassel nur zufällig bei Steinbrucharbeiten entdeckt. Und wie so oft ist es aufmerksamen Arbeitern zu verdanken, daß die Funde geborgen und Wissenschaftler davon unterrichtet werden. Ziemlich schnell ist klar, daß es sich bei dem Fund um eine wissenschaftliche Sensation handelt. 1919 erscheint die erste wissenschaftliche Publikation „Der diluviale Menschenfund von Obercassel bei Bonn“ mit Beschreibung der Fundumstände, genauen Zeichnungen von Fundstücken und Skeletten und einer ersten zeitlichen Einordnung. Beiläufig werden auch die gefundenen Knochenreste des Hundes erwähnt.
 
2014 nach Christus
 
100 Jahre nach dem Auffinden des Oberkasseler Doppelgrabes widmet ihm das LVR-Landesmuseum (= Rheinisches Landesmuseum) Bonn eine große Ausstellung „Eiszeitjäger - Leben im Paradies“. Eingehende Forschungen, Nachgrabungen, erneute Untersuchungen der Skelette und Objekte nun aber mit modernsten Verfahren sowie eine Überprüfung der zeitlichen Einordnung gehen der Ausstellung voraus.
Jetzt rücken auch die Knochenreste des Hundes in den Focus der Wissenschaftler, und nun erweist sich auch dieser Fund als archäologische Sensation. DNA-Untersuchungen bestätigen es: Tatsächlich handelt es sich um einen domestizierten Hund, nicht mehr um einen Wolf, der die Menschen auf ihrer letzten Reise begleitet. Damit liegt ein sehr früher Nachweis für die Domestizierung von Wildtieren zu Haustieren vor, ca. 5.000 Jahre früher als bisher angenommen. Lange hatte man geglaubt, daß erst in der Jungsteinzeit, als die Menschen seßhaft wurden und anfingen Ackerbau zu betreiben, auch die Domestizierung von Haustieren begann. Das gilt weiterhin für Rind, Schaf, Schwein und Ziege. Hunde jedoch haben schon die frühen Homo-Sapiens-Jäger begleitet.
Mit der Klima-Erwärmung am Ende der Eiszeit sterben die Großsäuger wie z.B. Mammute aus; die Kältesteppen verwandeln sich in lichte Wälder, in denen das Wild nicht mehr so einfach aufzuspüren und vor allem verwundete Tiere nicht mehr so leicht wiederzufinden sind. Da erweisen sich die gezähmten Wölfe, von denen alle Hunde abstammen, als wichtige Helfer; sie folgen der Beute und verbellen sie. Im Gegenzug erhalten sie ihren Anteil an der Jagdbeute. Gezähmte Wölfe eignen sich höchstwahrscheinlich auch gut als Wachhunde und als nützlicher Schutz vor Raubtieren; allerdings ist nicht auszuschließen, daß sie in Notzeiten auch als „Frischfleisch-Reserve“ herhalten müssen.
Der Oberkasseler Hund weist allein durch die Tatsache, daß er mit seinen „Herren“ bestattet wurde, noch auf etwas anderes hin; vermutlich sahen die eiszeitlichen Jäger in ihm „auch einen getreuen Gefährten fürs Leben - eine beeindruckende Beziehung über Artgrenzen hinaus, welche bis zum heutigen Tage fortbesteht.“ (S. 219)
 
Prachtvoller Begleitband zur Ausstellung
 
Der hier zu besprechende Begleitband zur o.g. Ausstellung spiegelt den aktuellen Stand der Forschung zur Zeit vor 15.000 Jahren in Europa. Namhafte Spezialisten, die federführend an den Forschungen beteiligt waren, legen ihre Ergebnisse vor. Es ist ein prächtiger Band geworden mit brillanten Fotos von kleinsten Steinwerkzeugen und Kunstgegenständen, die einerseits die Eleganz der Objekte herausstellen, es andererseits aber dem Betrachter ermöglichen, auch winzige Details wahrzunehmen. Darüber hinaus bekommt der Leser einen Einblick in die ausgefeilten Methoden der Archäologie und ihrer Nachbardisziplinen, wie z.B. die Paläogenetik. Eine umfangreiche Bibliographie und ein nützliches Glossar ergänzen die fundierten Artikel.
Abschließend jedoch ein Hinweis an den Verlag: Eine Zeittafel, in der (auch ungefähre) Datierungen sowie die geologischen und archäologischen Bezeichnungen der prähistorischen Zeitabschnitte einander gegenübergestellt werden, wären für den Nichtfachmann ein dringendes Desiderat.
Dennoch: Das inhaltsreiche Werk ist eine lohnende Anschaffung, auch wenn man weder Zeit noch Gelegenheit hat, die Ausstellung anzusehen – oder: gerade dann sollte man den Begleitband erwerben.
 
Die Ausstellung “Eiszeitjäger – Leben im Paradies“ ist noch bis zum 28. Juni 2015 geöffnet
Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag, Sonntag 11.00 - 18.00
Samstag 13.00 - 18.00
Weitere Informationen
 
Begleitband
„Eiszeitjäger - Leben im Paradies. Europa vor 15.000 Jahren“. Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland / LVR-Landesmuseum Bonn
©2014 LVR-Landesmuseum Bonn, Nünnerich-Asmus-Verlag, 348 Seiten, 233 Abbildungen
ISBN 978-3-943904-80-2
Sonderpreis im Museumsshop EUR 19.90
im Buchhandel EUR 29.90
Weitere Informationen: www.na-verlag.de/