Der Spott der kleinen Dinge

Flieges Frauen

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Flieges Frauen
 
Neulich habe ich gehört, daß Jürgen Fliege einem Wahrsager die Frau ausgespannt habe. Jüngere werden Jürgen Fliege nicht mehr kennen, er ist ein frommer Mann aus Radevormwald. Fliege ist Pastor und hatte jahrelang eine Fernsehsendung, in der blinde Schwestern sich nach Jahren wiedersahen oder Menschen, die beim Briefmarkensammeln ein Bein verloren hatten, bei Heilern Ruhe fanden. Die Sendung hieß bloß »Fliege«, war aber bei 70- bis 90-Jährigen unglaublich beliebt. Davon hat der Wahrsager natürlich nichts. Er ist erst 56.
     Der Wahrsager war ein Kumpel von Fliege. Und eines Abends – ob er Karten gelegt hat oder sich mit seinem Raben unterhalten hat, ist ja jetzt egal – baut sich seine Frau vor ihm auf und sagt (laut »Bunte«): »Winfried, ich gehe jetzt zu Jürgen!« Dann war sie weg. Das ist natürlich irre: Einer ist Astrologe und weiß nicht, daß seine Frau zu Jürgen geht.
     Ich rief einen Freund an, der mal für Forsa Dortmund gearbeitet hat, und schilderte die Ahnungslosigkeit des Propheten. Der Freund lachte überlegen und sagte, das sei völlig normal, man könne sich eben nicht selbst kitzeln. Ich begriff und dachte: »Der Stimmenimitator konnte jede Stimme imitieren, nur nicht seine eigene.« Dieser Satz ist nicht von mir, aber seit Guttenberg kann ich nun wirklich nicht für jede Binse eine Fußnote ausrufen.
     Der Freund erzählte in bester Laune von einer Umfrage, die vor Jahren heimlich von der CDU in Auftrag gegeben worden sei. Sie untersuchte das Verhältnis von Konservativen zum Fremdgehen. Der Freund kriegte sich gar nicht mehr ein.
     Der CDU-Sex langweilte mich, ich hängte ein und ging aus Mitgefühl auf die Internetseite von Astro-Winfried. Winfried bietet Erotik-, Liebes- und Partnerhoroskope an. Erotik kostet 12,95 Euro plus Versandkosten. Ich versuchte, meine eigene Stimme nachzuahmen. Es ging tatsächlich nicht.
 
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.