Eifersucht als Anreiz

Ovids "Liebeskunst" - neu übersetzt

von Konrad Beikircher

Johann Nepomuk Geiger pinx.

Publius Ovidius Naso
Eifersucht als Anreiz
Buch II 435-492
 
 
Es gibt Frauen, die danken’s Dir nicht,
wenn Du sie schonst.
Das sind die, die ermüden,
ist keine Rivalin in Sicht.
Ist es dem Esel zu wohl,
dann geht er auf’s Eis,
denn schwer ist’s, Erfolge
gelassen zu tragen.
So wird auch die Liebe
im sicheren Alltag
gern muffig und stumpf
und braucht, um erneut zu erwachen,
die schrilleren Töne.
Halt sie in Atem,
versuch, sie in Hitze zu bringen,
guck, daß sie blaß wird,
wenn sie Gerüchte vernimmt.
Dreifaches, vierfaches Glück,
wenn eine Frau, die Du gekränkt hast,
sich kränkt! Wenn sie,
sobald sie nur hört,
ob sie es will oder nicht,
daß Du sie betrogen,
außer sich Stimme und Farbe verliert!
Da möchte ich der Mann sein,
dem sie die Haare ausreißt,
dem sie die Wangen mit Nägeln zerkratzt,
dem sie mit Tränen den Tod wünscht,
und ohne den
ob sie es will oder nicht
sie nicht zu leben vermag.
Wie lange das dauert?
Nun, das liegt an Dir.
Laß sie nicht allzu lang schreien,
sonst wächst nur der Zorn.
Umarme den schimmernden Hals
und zieh sie zur Brust,
solang sie noch weint.
Küsse sie, zieh sie ins Bett:
dann ist es gut und der Zorn verraucht.
Und ist sie noch so in Rage
und sagt: sie sei Deine Feindin -
zieh sie ins Bett.
Sanft streckt dort jeder die Waffen,
denn Bett heißt fürs erste mal Frieden.
So machens die Tauben:
sie streiten und schnäbeln
als wär nichts gewesen.
Oder mehr noch: DIE WELT
war am Anfang ein Chaos,
ungeordnete Masse;
Sterne, Erde und Meer
man konnte sie nicht unterscheiden
und spät erst entstand, was wir seh’n:
wilde Tiere im Wald,
in der Luft die Vielfalt der Vögel
und im Wasser die Fische.
Anfangs auch stolpert der Mensch
völlig verwirrt durch die Welt:
Körper und Kraft, mehr ist es noch nicht.
Er hauste im Wald, fraß Gras
und schlief auf getrockneten Blättern
und keiner kannte den andern.
Man sagt, daß die Lust
über die Einsamkeit siegte:
sie habe den Mann und die Frau
letztlich zusammengeführt.
Was da zu tun war, dafür
brauchten die beiden nicht Lehrer.
Ohne Gewese und Kunst
kam man zum Liebesgeschäft.
So hat der Vogel sein Weibchen
und mitten im Wasser der Fisch
eine Frau, die seine Lust
mit ihm teilt.
Die Hirschkuh läuft gerne zum Hirschen
die Schlange umarmt die Schlange
die Hündin hängt eng an dem Hund
selbst das Schaf läßt froh sich bespringen
die Jungkuh erfreut sich am Stier
und die Ziege, wie blöd sie auch sei,
erträgt ihren schmutzigen Bock.
Die Stuten, sind sie erstmal heiß,
verfolgen den Hengst bis ans Ende
der Welt, auch wenn Flüsse sie hemmen.
Na also: nur mit solchen Mitteln
schaffst Du, daß ihr Zorn sich legt.
Denn diese Mittel, ich schwör’s Dir,
sind stärker als ärztliche Kunst
oder sonstwas. Vertraue darauf.
 

Ovids "Liebeskunst" - neu übersetzt von Konrad Beikircher