Publius Ovidius Naso Mängel als Vorzüge Buch II 641-681
Hüt Dich, ich bitt Dich, davor,
die Fehler des Mädchens zu tadeln.
Besser ist allemal
Du siehst einfach drüber hinweg.
Paßt Dir was nicht
dann gewöhn Dich daran, ich sag Dir
es geht. Die Zeit
macht manches erträglich.
Nur am Beginn schaut die Liebe,
leider, genauestens hin.
Alle die Fehler, die Mängel,
die Körper so haben
sind doch erträglich und hören
im Laufe der Zeit einfach auf
einem im Wege zu stehn.
Zum Beispiel riecht Stierleder,
wenn man’s nicht kennt,
ganz und gar unerträglich.
Hat man sich aber gewöhnt
stört es die Nase nicht mehr.
Manches hält man auch aus,
wenn man es anders benennt:
ist sie pechschwarz
dann nenn sie brünett,
schielt sie, dann
schaut sie wie Silber
Klappern die Knochen,
dann nenn sie grazil,
ist sie klein, dann
nenn sie doch handlich,
ist sie gar fett,
dann ist sie halt üppig gewachsen -
Denn, wie gesagt, je nach Standpunkt,
ist jeder Fehler ein Plus.
Frage auch nie nach dem Alter,
das überlaß den Beamten,
zumal, wenn sie nicht mehr ganz frisch ist,
die besseren Zeiten vorbei sind
und tägliche Pflicht es schon ist,
die weißen Haare zu zupfen.
Das ist wie bei Geigen:
es klingen am besten die alten.
Klüger sind sie
und reich an Erfahrung:
sie bringen, was keine sonst bringt.
Sie ersetzen durch Pflege
was sie mit den Jahren verloren
und ihre Sorgfalt bewirkt,
daß man ihr Alter nicht sieht.
Stellungen? Och, an die tausend,
wie Du es willst,
kein Zeichner könnte es besser.
Und: lustvoll sind sie längst bereit,
Du brauchst sie nicht mühsam zu wecken!
Ovids "Liebeskunst" - neu übersetzt von Konrad Beikircher |