Die Erde - Spielball der Natur

Hans-Dieter Otto „Über uns kein Himmel?“ – Gillen D´Arcy Wood „Vulkanwinter 1816“

von Steffi Engler

 

         

 

Hans-Dieter Otto - „Über uns kein Himmel?“
© 2015 Residenz Verlag, 208 Seiten, geb., Register, wenige Illustrationen
ISBN 978-3-7017-3321-7  - 19,90 €
www.residenzverlag.at
  Gillen D´Arcy Wood - „Vulkanwinter 1816“
© 2015 Konrad Theiss Verlag
, 336 Seiten, Register, Quellen, div. Illustrationen
ISBN 978-3-8062-3015-4  - 29,95 €
www.theiss.de

 
Mene tekel u-parsin (מנא ,מנא, תקל, ופרסין)
 
Die großen Naturkatastrophen der Menschheitsgeschichte
 
Hans-Dieter Otto und Gillen D`Arcy Wood
schreiben Chroniken von Weltkatastrophen,
die schon morgen wieder über uns kommen können
 

Der Globus im Griff der Natur
 
Vor wenigen Tagen fegte ein Zyklon von riesigen Ausmaßen und rund 300 km/h den pazifischen Inselstaat Vanuatu nahezu von der Landkarte. Niemand konnte etwas dagegen tun. Hans-Dieter Otto erzählt in seinem Buch „Über uns kein Himmel?“ in kurzen, jedoch jeweils den Kern anschaulich umreißenden Kapiteln von Katastrophen, die von der Antike bis in die Gegenwart die Menschheit geschüttelt und ihre Entwicklung nachhaltig beeinflußt haben: von Erdbeben und Vulkanausbrüchen, Überschwemmungen und Wirbelstürmen, Hungersnöten und Epidemien ungeheuren Ausmaßes. Die Frage: „Gibt es denn über uns keinen Himmel, der uns beschützt?“ stellt sich berechtigt, denn die geschilderten Katastrophen trafen stets alle, ohne Ansehen von Geschlecht und Alter, Nationalität und Religion, Bildungsstand und sozialer Ausrichtung. Da kann bei Skeptikern schnell die Gretchenfrage aufkommen. Aber darum geht es Hans-Dieter Otto in seinem Buch nicht. Er will damit zeigen, daß die Menschheit den Naturgewalten damals wie heute schutzlos ausgeliefert ist, daß man dank wissenschaftlicher Untersuchungen und Erkenntnisse aus Katastrophen zum Schutz des Lebens in der Zukunft auch Lehren ziehen, der „schrecklichen Ohnmacht des Menschen“ kluge Prophylaxe entgegenstellen kann.
 
Aufgebaut nach Epochen von der Vorzeit über die frühen Kulturen, die bereits Aufzeichnungen über Naturereignisse machten, bis zu den gut dokumentierten, oft menschengemachten Katastrophen der neueren Zeit und der Gegenwart ist so eine Chronik des Schreckens entstanden. Hans-Dieter Otto betreibt keinen Sensations-Journalismus, er zeichnet nüchtern auf, zeigt die Machtlosigkeit angesichts unbeeinflußbarer Naturphänomene und legt von Fall zu Fall den Finger dort in die Wunde, wo Hybris oder menschliches Versagen die Katastrophe erst herbeigeführt oder durch falsche Reaktion verschlimmert haben. Natürlich kann ein solcher nur 206 Seiten starker Kurztrip durch die Geschichte der die Welt erschütternden Ereignisse nicht annähernd vollständig sein. Doch der Autor hat sich bemüht, seine Übersicht repräsentativ für die Gattungen der Ereignisse zu gestalten und eine Ahnung davon zu vermitteln, was die Welt in den letzten 10.000 Jahren oft sogar in ihren Grundfesten erschüttert hat. Das geht vom Rätsel um den Untergang des mythischen Atlantis über die biblische Heuschreckenplage in Ägypten, die Pest des Mittelalters, die großen Erdbeben in China, Lissabon und San Francisco, die Explosionen des Vulkans von Santorin und des Krakatau, die Spanische Grippe 1918/19 und den Tsunami in Südostasien 2004 bis zum Wirbelsturm „Sandy“, der New Orleans verwüstete und dem Super-GAU von Fukushima. Allerdings fehlt die weit größere Atom-Katastrophe von Tschernobyl gänzlich.  
 
Worin die Risiken der Zukunft liegen bzw. liegen könnten, bleibt nicht unerwähnt. Hans-Dieter Ottos Hypothesen richten den Blick auf mögliche Jahrtausend-Vulkanausbrüche, das gefährliche Ozonloch unserer Atmosphäre über den Polen, die vom verantwortungslosen Wachstumsstreben verschuldete weltweite Klimaveränderung, die mögliche Kollision mit Kometen oder Meteoriten und – weit weit in einer unbestimmten Zukunft – das Vergehen der Erde in der Verschmelzung mit galaktischen Phänomenen.
Ein Kapitel des Buches erzählt vom „Schneesommer“ 1816, der auf die Explosion des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 folgte. Hier wird deutlich, wie sensibel der Globus auf Katastrophen solchen Ausmaßes reagiert und welch weitreichende Folgen ein großer Vulkanausbruch bis auf den heutigen Tag nicht nur haben kann, sondern haben wird.
 
Und hier kommt das zweite Buch ins Spiel, das ich Ihnen hier vorstellen möchte: Gillen D´Arcy Woods „Vulkanwinter 1816 – Die Welt im Schatten des Tambora“.
 
Hans-Dieter Otto - „Über uns kein Himmel? – Die größten Naturkatastrophen der Menschheitsgeschichte“
© 2015 Residenz Verlag, 208 Seiten, geb., Register, wenige Illustrationen
ISBN 978-3-7017-3321-7  - 19,90 €
www.residenzverlag.at
 
 
Wie ein Natur-Ereignis die Welt verändert

Mit explizit der auch von Hans-Dieter Otto zu den größten Naturkatastrophen der Geschichte gezählten gewaltigen Explosion des auf der kleinen indonesischen Insel Sumbawa gelegenen Tambora vor genau 200 Jahren im April 1815 und deren jahrelangen Folgen für die Welt, ihr Klima sowie ihre Politik und Wirtschaft beschäftigt sich Gillen D´Arcy Wood in seiner brillanten Untersuchung „Vulkanwinter 1816 – Die Welt im Schatten des Tambora“. Wood belegt anhand eingehend ausgewerteter zeitgenössischer Aufzeichnungen und neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen die weltweiten Auswirkungen des Tambora-Ausbruchs, der die Sprengkraft von 170.000 Hiroshima-Bomben hatte. Heutige Schätzungen gehen von etwa 120.000 unmittelbaren Todesopfern des Ausbruchs aus. Man bedenke die geringe Besiedlungsdichte damals.  

Die Explosion des vulkanischen Berges, der dadurch 1,5 km (!) Höhe verlor, löschte die vollständige Ethnie der Insel und ihre Sprache aus, sie führte nach unmittelbar folgenden Tagen beängstigender völliger Finsternis im Zusammenwirken einem unidentifizierten Vulkanausbruch 1809 weltweit zu Wetterextremen, wie sie auch unsere jetzige „hohe“ Zivilisation und Technisierung bedrohen würden, käme es zu einem ähnlichen katastrophalen neuen Ausbruch irgendwo auf der Welt. Die vulkanischen Potentiale dafür sind von Sumatra bis Island, von Alaska bis Sizilien weltweit vorhanden. Durch die von den gigantischen bis in die Stratosphäre getragenen, sich ergänzenden Aschewolken der beiden genannten Eruptionen 1809 (Unbekannt) und 1815 (Tambora) verursachten eine globale Klimaabkühlung der 1810er Jahre, darin 1816 das berüchtigte „Jahr ohne Sommer“. In der Folge führten Flutwellen, Überschwemmungen, klirrende Fröste im Sommer und heftige Stürme zu Mißernten, Hungersnöten in China und Europa, Cholera-Epidemien und sozialem Zerfall. 1816 ist das Jahr mit dem kältesten Sommer, seit ab 1753 Wetteraufzeichnungen gemacht wurden. Es blieb bis heute der kälteste und nasseste Sommer mit Wetterextremen in Europa seither.


John Constable, Weymouth-Bay 1816
 
Anschaulich führt Wood Maler wie William Turner, John Constable und Caspar David Friedrich und Schriftsteller wie Charles Dickens, Lord Byron, Mary und Percy Bysshe Shelley und Li Yuyang als durch ihre Werke mittelbare Zeugen für diese den Globus umspannenden Folgen an.
Gillen D´Arcy Woods Buch liegt als deutliche Mahnung vor uns wie ein flammendes Menetekel. Wir werden nichts tun können, um die Wiederholung einer solchen Weltkatastrophe zu verhindern. Wir können aber Demut vor den Elementarkräften der Natur lernen und begreifen, daß wir auf vielen anderen Ebenen eine Menge tun könnten, um der Zerstörung unserer Erde durch Umwelt- und Klimaschutz Einhalt zu gebieten. Ein wichtiges Buch, das wir jedem Vernünftigen zur Lektüre empfehlen.
 
Gillen D´Arcy Wood – „Vulkanwinter 1816 - Die Welt im Schatten des Tambora“
Aus dem Englischen von Hanne Henninger und Heike Rosbach
© 2015 Konrad Theiss Verlag, 336 Seiten, gebunden, Register, Quellen, rund 50 s/w-Abbildungen.
ISBN 978-3-8062-3015-4  - 29,95 €
www.theiss.de

Redaktion: Frank Becker