Ein Museum im stetigen Aufbruch
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum
lockt ab morgen mit zwei neuen Ausstellungen
Es gibt eine oft und gerne benutzte Wendung, die umschreibt, daß jemand in seinem Arbeitsbereich für frischen Wind sorgt: Er bewegt etwas. Bei Dr. Gerhard Finckh, der die Leitung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums vor knapp zwei Jahren übernommen hat, kann man das seither wörtlich nehmen. Während das ehrwürdige Gebäude seit seinem grundlegenden Umbau (1986-1990 unter seiner vorigen Leiterin Dr. Sabine Fehlemann) äußerlich in seiner
Dr. Antje Birthälmer, Dr. Gerhard Finckh
(Laurens "Negerin") - Foto: Frank Becker |
Architektur ruht, hat sich in seinem räumlichen Innenleben und der Ausstellungskonzeption einiges bewegt - und bewegt sich weiter. Nach "Pasticcio 1 + 2" und u.a. den Ausstellungen "Abenteuer Barbizon", "Aufbruch und Ekstase", Olaf Metzel sowie der zur Zeit noch gezeigten Renoir-Präsentation (bisher über 30.000 Besucher) werden die Räume des weitläufigen Museums nicht nur wieder neu bestückt und Wände im wahrsten Wortsinn verschoben - der Blick des Besuchers wird einmal mehr auf die Schätze aus den Magazinen der städtischen Galerie gelenkt.
Zwei neue Präsentationen
Die Rede ist von zwei neuen Präsentationen, die ab Sonntag, 16.12. in Wuppertal zu sehen sein werden: "Pasticcio 3", eine umfangreiche chronologische Schau aus Museumsbeständen und "Ein Fest der Sinne. Niederländische Malerei und Graphik des 16. und 17. Jahrhunderts", ebenfalls aus
van Schooten, Stilleben - Foto © Frank Becker |
den Schatzkammern des Hauses. Man übertreibt nicht. Es ist ein Fest für Augen und Gemüt. In den Räumen der früheren Wechselausstellung im ersten Obergeschoß erwartet den Besucher eine Auswahl der schönsten 23 von 60 Stücken niederländischer und flämischer Malerei des 17. Jahrhunderts, die zum Bestand des Museums gehören: Arbeiten Salomon van Ruisdael, Jan van Goyen, Floris van Schooten, Jan van Yckens, Willem Gabron, Johannes Spruyt, Gillis III van Coninxloo, Joachim Patinir, Joos de Momper d.J. werden gezeigt - Künstler, neben deren malerischem Werk auch das graphische in Form von Kupferstichen und Radierungen von u.a. 12 Blätter Rembrandts, dazu Ferdinand Bol, Lucas van Leyden, Jan Lievens und Jan Georg van Vliet steht. Dr. Antje Birthälmer hat diesen Teil der Ausstellung spürbar mit Herzblut kuratiert. Man sieht
Thorvaldsen, Vittoria Caldoni
Foto © Frank Becker |
Großformate endlich räumlich angemessen präsentiert, Landschaften in realistischer und phantastischer Darstellung, Genre, Appetit aufKäse und Früchte machende Stilleben und Marinemalerei. Der künstlerische Einfluß Italiens - nach Caravaggio als Caravaggismus bezeichnet - ging auch an den heimatverbundenen Niederländern nicht ganz vorbei. Mehr Ausdruck, intensiveres Licht und Motivwahl sind Beleg für diese Spur nach Süden.
Ein Gang durch die Zeit
Ein Gang durch die Zeit ist die chronologisch gehängte neue Ausstellung im 2. OG, die vom Klassizismus zum Biedermeier, Impressionismus - hier mit wertvollen Ergänzungen zur parallel zu besuchenden Renoir-Ausstellung -, dann die Phase um 1900, schließlich Expressionismus, Moderne
Asger Jorn "Du Hund"
Foto © Frank Becker |
der 20er und 30er Jahre, Surrealismus, Informal und Kunst nach 1945 mit Konkreter Malerei, Bacon, Picasso und (ganz neu im Bestand) Beuys zeigt. Endlich wieder zu sehen ist Asger Jorns Farbschwelgerei "Du Hund". Dr. Gerhard Finckh hat sich auch der zwischenzeitlich vernachlässigten Sammlung hervorragender plastischer Skulpturen des 19. und 20. Jahrhunderts aus dem Museumsbestand angenommen und zeigt u.a. wundervolle Arbeiten von Christian Daniel Rauch (Siegesgöttin), Bertel Thorvaldsen (Vittoria Caldoni - eine Rarität: gleich daneben hängt Friedrich Overbecks im gleichen Jahr entstandes Portrait Vittorias in Öl), Christoph Voll (Nackter Knabe), Hans Arp, Karl Hartungs elegante "Vogelform" Rudolph Belling (Kopf in Mahagoni), George Segals "Ruth in der Küche", die wieder einmal geduldig umgezogen ist, Henri Laurens (Negerin), Fritz Huf
Hartung, Vogelform - Foto © Frank Becker |
Büste Max Liebermann), August Gaul (Schreitender Strauß), Emmanuel Frémiets "Jungfrau von Orleans", Gustav Bläsers Büste August Freiherr von der Heydts, und Edgar Degas (Tänzerin in Ruhestellung).
Von Canaletto bis Asger Jorn
Canalettos traumhaftes Bild der Piazetta, die vier Wuppertaler Spitzweg-Bilder, Heinrich Christoph Kolbes Biedermeier-Portraits der Eheleute de Weerth, Johann Richard Seels "Atelierwand", Gerd Arntz´ "Drei Figuren", Konkretes aus der Schenkung Holze, die jüngste Erwerbung des Museums, die Beuys-Fotografie "La Rivoluzione siamo Noi", Ferdinad Hodlers "Holzfäller", Pablo Picassos "Frauenakt", Lovis Corinths Selbstbildnis, Toulouse-Lautrecs "Die dicke Marie", Laszlo Moholy-Nagys "QXX" und Christian Schads "Halbakt" sind nur einige der Stücke die in 13 Räumen einen weiteren kleinen Auschnitt aus dem herrlichen Bestand zeigen. James Ensor, Honoré Daumier, Edvard Munch, Max Liebermann (dessen Büste Hufs oben erwähnt ist), Fernand Leger, Felix Waldmüller, Max Ernst, Otto Dix und Yves Tangu, Victor Vasarely, Loen Polk Smith und Josef Albers und Günter Uecker sind mit im Reigen dieser bunten und sehr abwechslungsreichen Präsentation.
Christian Schad, Halbakt
Foto © Frank Becker |
Fest der Sinne mit Musik
Wegen des durch die Renoir-Ausstellung ohnehin starken Publikumsandrangs wird diesmal auf eine offizielle Vernissage mit Einführung, Reden und Ansprachen verzichtet. Anstelle dessen wird morgen, Sonntag, 16. Dezember von 12.00 bis 15.00 Uhr zu einem Rundgang mit Musik eingeladen. Das Gitarrenduo Theresia und Katharina Weimer (Schülerinnen von Prof. Alfred Eickholt) spielt. Ein Fest also nicht nur für Augen und Gemüt - auch für die Ohren.
Die Ausstellung "Ein Fest der Sinne" wird bis zum 22.6.2008 zu sehen sein, die Präsentation der Sammlung bis zum Herbst 2008.
Weitere Informationen, auch zum umfangreichen Begleitprogramm der Ausstellungen finden sie unter: www.von-der-heydt-museum.de.
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