Small Business

Fotografien von Horst Hahn auf Gut Gödelitz

von Rainer K. Wick

Benin: Stand eines Uhrenverkäufers, Saralou
Foto © 2008 Horst Hahn
Small Business

Fotografien von Horst Hahn auf Gut Gödelitz
 

Der Ort
 
Zwischen Leipzig und Dresden, genauer, fünfundzwanzig Kilometer westlich von Meißen mit seinem großartigen gotischen Dom und seiner berühmten Porzellanmanufaktur, befindet sich ein Jahrhunderte altes ehemaliges Rittergut mit wechselvoller Geschichte: Gut Gödelitz. Seit 1917 im Besitz von Max Schmidt, der es zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb machte, wurde die Familie Schmidt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs enteignet und vertrieben. Die DDR wandelte Gödelitz in einen Staatsgut um und gliederte es in eine LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaft) ein. Nach der Wende kaufte die Familie des ehemaligen Besitzers das Anwesen von der Treuhand zurück. 1998 wurde hier als überparteilicher, gemeinnütziger Verein das „ost-west-forum Gut Gödelitz e.V.“ gegründet (www.ost-west-forum.de). Sein Ziel ist es, „zur Verständigung zwischen den Teilen des wiedervereinigten Deutschlands [beizutragen] und die Grundsätze des sozialen und demokratischen Rechtsstaates in Zeiten der Globalisierung zu bewahren.“ Regelmäßig finden an diesem Ort der politischen Bildung in einem kultivierten ländlichen Ambiente Seminare, Vorträge und Lesungen mit hochkarätigen Referenten und Autoren statt, und wechselnde Kunstausstellungen rahmen diese Veranstaltungen. Nun zeigt der Kölner Fotograf Horst Hahn in der aktuellen Ausstellung auf Gut Gödelitz eine repräsentative Auswahl seiner Arbeiten aus der Serie „Small Business“, die eine interessante Facette seines umfangreichen Œuvres als Reisefotograf darstellt.
 
Der Fotograf
 
Für Horst Hahn ist das Reisen so etwas wie ein Lebensmittel: horizonterweiternd, bewußtseinsprägend, daseinsbereichernd und identitätsstiftend, keinesfalls eine Flucht aus der Wirklichkeit, wie manchmal über das Reisen gesagt wird, sondern eher ein intensives Eindringen in die Wirklichkeit mit ihren schier unfaßbaren Differenzierungen, nicht selten aber auch mit ihrer Fremdheit. Schon früh, seit den 1950er Jahren, war er in fernen Ländern unterwegs, und immer hat er fotografiert. Mit der üblichen touristischen Knipserei, die im Handy-Zeitalter mehr denn je grassiert, hat das nichts zu tun, wie seine konzeptionell und gestalterisch anspruchsvollen Bilder zeigen, die er regelmäßig in Museen und Galerien präsentiert. (http://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=8245&suche=horst%20hahn) Von Hause aus Restaurator, ist für Hahn schon von Berufs wegen die möglichst objektive Dokumentation eines jeweiligen Ist-Zustandes eine Selbstverständlichkeit, und in der Rückschau wird deutlich, daß seine

Jemen: Kokosnußhändler, Al Hamiyah - Foto © 2007 Horst Hahn
Fotografien Speicher der Erinnerung an Verhältnisse sind, die sich unter den Vorzeichen der beschleunigten Globalisierung oftmals schon dramatisch verändert haben bzw. zu verändern im Begriff sind. Dies gilt ganz besonders für seine Fotos aus afrikanischen und asiatischen Ländern, die zum Teil Zustände und Situationen schildern, die heute kaum noch anzutreffen sind oder die es in dieser Form bald nicht mehr geben wird. So muten die derzeit auf Gut Gödelitz ausgestellten fotografischen Arbeiten wie der Abgesang auf eine Welt von gestern an, und gerade daraus beziehen sie ihre Faszination und Wirkung.
 
Die Bilder
 
Sie zeigen Klein-, ja Kleinstgewebetreibende, die ihre Waren nicht nur am Straßenrand anbieten, sondern manchmal auch dort produzieren. Nicht selten liegen also Produktion und Distribution in einer Hand, Arbeitsteilung ist eher die Ausnahme. Meist sind die Akteure auf den Fotos zu sehen, zuweilen sind sie aber auch abwesend, und die Auslagen sprechen für sich. Die Bilder zeugen von primitiven Fertigungsmethoden, ursprünglichen Praktiken des Handels und einfachsten Lebensverhältnissen, zum Teil auch von bitterer Armut, sofern man mitteleuropäische Maßstäbe anlegt. Es handelt sich um eine spezifische Form der (sozial-)dokumentarischen „Street Photography“, die immer dem Grundsatz verpflichtet ist, den Menschen mit Achtung und Respekt zu begegnen. Zwar sieht sich der Fotograf ab und zu auch kritischen Blicken ausgesetzt, doch tritt er nie als indiskreter „Voyeur“ oder aufdringlicher, ja rücksichtsloser Tourist auf. Vielmehr versucht er, mit seinen „Modellen“ eine Situation des Einvernehmens herzustellen, etwa, indem er sie in ein Gespräch verwickelt oder mit ihnen durch freundliche Gesten kommuniziert. In seiner Einführungsrede zu der am 14. März auf Gut Gödelitz eröffneten Ausstellung bemerkte Wendelin Szalai, Professor für Geschichtsmethodik in der früheren DDR, daß Horst Hahn „abseits der üblichen Tourismushöhepunkte“ fotografiert, „auf Straßen, in Gassen, auf Plätzen und in Hinterhöfen. Er lichtet Normales ab, und er macht das ganz normal, ohne fotografische Extras, ohne Stativ und ohne spezielle Beleuchtung. [Er] erzählt mit unspektakulären, mit einfühlsamen Bildern vom normalen Leben normaler Leute.“
So unspektakulär also Hahns Bilder auf den ersten Blick erscheinen mögen, so lassen sie bei genauerem Hinsehen doch einen erfahrenen Fotografen erkennen, der sehr wohl um Bildausschnitt und Bildaufbau, um Grauwerte und Farbnuancen weiß, und der vor allem ein sicheres Gespür für den sprichwörtlichen „entscheidenden Moment“ (Henri Cartier-Bresson) hat. Im Unterschied zum großen Heer professioneller Auftragsfotografen ist er ein sogenannter Autorenfotograf, der nicht an spektakulären Effekten und glamourösen Inszenierungen interessiert ist, um die (kommerziellen) Erwartungen eines Auftraggebers zu befr iedigen. Obwohl Horst Hahns eigentliche Domäne die „künstlerische“ Schwarzweißfotografie ist, gehören zur Serie „Small Business“ zahlreiche Farbfotografien, die geeignet sind, noch unmittelbarer zum Betrachter zu sprechen, kann doch die Farbe ein probates Mittel sein, um den Realitätscharakter des Bildes gegenüber dem abstrakteren Schwarzweiß deutlich zu steigern.

Wer die aktuelle Ausstellung auf Gut Gödelitz nicht sehen kann, dem sei die reich bebilderte Broschüre „Small Business“ empfohlen, die für 15,- € direkt beim Fotografen, Mauenheimer Str. 32, 50733 Köln, 0221/7604944, bezogen werden kann.


Togoo: Straßenverkauf von geschmuggeltem Benzin aus Nigeria - Foto © 2008 Horst Hahn
 


Äthiopien,Imker vom Volk der Huma - Foto © 2005 Horst Hahn

„Small Business oder Kleingewerbe am Straßenrand“
Fotografien von Horst Hahn
Gödelitz 1 - 04720 Mochau
bis 30. April 2015 - Besuch nach Vereinbarung
Tel. 034325/20306 oder 20434