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Alice Schwarzer - „Romy Schneider - Mythos und Leben“

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Sissi und Alice im Wunderland

„Romy Schneider - Mythos und Leben“
von
Alice Schwarzer

Wie beginnt eine Frau, die von Beruf Frau ist, eine Biographie über eine andere Frau? Wie lauten die ersten Sätze aus der Feder einer Feministin, die bis heute nicht begreifen will, daß einem Mann beim 1. Blickkontakt nicht die inneren Werte auffallen können, sondern bestenfalls Beine, Po und Dudeln und der möglicherweise tiefe V-Ausschnitt?
Nun, Alice Schwarzer fängt folgendermaßen an:
„Als Romy Schneider das Kölner Fernsehstudio betritt, trägt sie einen schwarzen Hosenanzug, dessen Beine so weit geschnitten sind, daß er wie ein schmaler Rock wirkt. Über den schlichten, tiefen V-Ausschnitt baumeln lange, zartgliedrige Modeketten.“
Hätte ein Mann das billige Modegebaumel für erwähnenswert erachtet, es wäre ein Affront gewesen, typisch simpel oder simpel typisch. Unter
der Hand von Alice aber verwandelt sich industriell zusammengeklopptes Massenklunkerkitschgehänge in einen zartgliedrigen inneren Wert.
Egal.
Dann dringt sie tiefer ein in die von Gott und den Genen geschaffene, natürliche weibliche Individual-Individualität:
„Geschminkt ist sie, wie immer, perfekt.“
Und weil auch die mittlerweile 170-lenzige Alice die Vorteile von Puder, Pinsel, Pickelpaste zur Übertünchung des eigenen Verfalls nicht mehr missen möchte, schwadroniert sie hinter das "perfekt":
„Ganz Gesicht und Ausdruck, ganz Sensibilität und Sinnlichkeit.“

Aber mit irgendwat muß man ja anfangen. Und als Fachfrau macht sie es eben wie ein Fachmann; und vor allem deswegen so, weil sie weiß, daß auch die anvisierten Käuferschichten, also Tucken, Tunten, Tralala, Sektenfrauen und Freunde der Nostalgie noch genau wissen, daß Romy Schneider seinerzeit die Welt nicht mit geistigen Ergüssen, sondern mit Kostümkalauern wie Sissi I, II, III, französischem Geschlechterkriegs-Palaver a la „Die Dinge des Lebens“ und sich selbst mit Alkohol überschwemmt hatte.

Yo! Und da simmer auch schon in medias Dingens, bei Papa, dem Krieg: Und wenn Alice vom Krieg erzählt, ist wieder klar, daß das 1. Opfer eines jeden Krieges das Sprachzentrum ist. So sieht denn auch an der militanten Sexfront die Syntax von Alice aus:
„An diesem Abend schreit sie nicht. Sie schweigt. Nicht aus Arroganz. Aus Angst. Aus Unsicherheit. Aus Schwäche.“
Hör mal, junge Frau! Auch wenn Krieg ist, so viel Zeit muß sein: Subjekt, Prädikat, Objekt! Als Anwältin aller Objekte kennst du dich doch aus! Und selbst dann, wenn das Patriarchat kein Nebenwiderspruch sein sollte, könntest du dir doch ruhig mal auch 'nen Nebensatz ausdenken!
Zu den Waffen einer Frau wie Alice gehört es, sich im Gespräch ohne Punkt und Komma durchzubeißen. In ihrem Buch aber herrschen dagegen andere Gesetze. Dort wird man zum Opfer ihrer geradezu triebhaften Interpunktion:
„Als Kind wird Romy wiederholt ins Badezimmer eingesperrt. Später wird sie sich dann in Daddys Gegenwart noch aus ganz anderen Gründen einsperren ...“ Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen.
Hey, Schwarzer, is so was nicht Pünktchen-Mißbrauch! Ja, wenn sie mit ihrem Frauen-Latein am Ende ist, geht eben das muntere Vermuten los. Da scheint es zu scheinen, da kann es auch können, da hat der Konjunktiv Hochkonjunktur, und ist weibliche Phantasie Not am Mann. Und wer als Triebtäter derart über die unschuldige deutsche Sprache herfällt, der treibt's dann auch mit der Heimat – bis Rotz und Blut und Wasser laufen:
„Einmal beginnt Romy zu weinen. Es ist, als wir über Deutschland sprechen.“ Huhu!
Richtig witzig wird's natürlich dann, wenn Adolf auf die Bühne stiefelt, und Romy die Karten legt:
„Ich glaube, daß meine Mutter ein Verhältnis mit Hitler hatte.“ Donnerwetter!
Und als ob das nicht genügte, macht Alice noch einen drauf:
„Ich hatte das zunächst für ein Phantasieprodukt eines heftigen Mutter-Tochter-Konfliktes gehalten. Doch bei Licht besehen ist es gar nicht ausgeschlossen. Denn ohne das war eine Filmkarriere in der Nazizeit gar nicht möglich.“
Mein Jott! Adolf poppt Schauspielschöler!
Die Kriegsgeneration hatte schon 'nen gewaltigen Hau weg; aber ihr Trümmerblagen habt auch so ziemlich alle Räder ab!

Kommen wir zum Schluß zum Sinn! Alices feministische Feinanalyse nach 40 Jahren intensivster Frauenforschung: Wenn es keine Männer gäbe, hätte sich eine Politikerin wie Petra Kelly nicht erschießen müssen. Wenn es keine Männer gäbe, wär Lady Di nicht in den Tunnel gefahren. Wenn es keine Männer gäbe, hätte eine Schauspielerin wie Romy Schneider nicht das Saufen angefangen. Ja, und wenn es keine Alice Schwarzer gäbe, wären wir nie in den Genuß eines solchen Satzes gekommen:
„In keinem Metier ist die Kluft zwischen dem, was scheint, und dem, was ist, so groß wie in der Filmschauspielerei.“
Pardon, aber ich kenn' noch so' n Metier. Fängt mit
Emma an und hört mit Journalismus auf.
Gute Nacht.

Redaktion: Frank Becker