Männer brauchen Grenzen

Schlimme Ehepaare oder Die Vorzüge von Bankräubern

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Schlimme Ehepaare
oder
Die Vorzüge von Bankräubern
 
So könnte das jetzt immer weitergehen: Zoff - Versöhnung – Zoff - Versöhnung - immer hin und her. Wie im richtigen Leben. Warum auch nicht? Warum sollte mein Buch besser sein als Ihr Leben? Das wäre ja auch nicht wirklich schön für Sie! Im Übrigen finde ich es gut, wenn man sich überhaupt noch streitet. So empfehle ich Ihnen dringend, immer wieder unvermittelt einen Streit vom Zaun zu brechen. Erstens um zu sehen: Da geht noch was. Und zweitens um in den Genuß der Versöhnung zu kommen. Gut wirksame Streit-vom-Zaun-Brecher mit Erfolgsgarantie sind Sätze wie: „Du bist wie deine Mutter.“
    Ganz schrecklich finde ich nämlich diese Paare, die nicht mehr streiten, sich aber nach zwanzig Jahren Ehe immer ähnlicher sehen - obwohl sie sich eigentlich auf den Tod nicht mehr ausstehen können. Und dann fangen die nämlich diesen Trainingsanzug-, Partnerlook- und Tandemterror an. Und ganz schlimm finde ich, wenn die immer das Gleiche sagen. Wenn die gar keine eigene Meinung mehr haben. Du sagst was, und die nicken beide. Und zwar genau gleich. Schlimm ist das. Dieses beflissene, rechthaberische Kopfgewackel. Schon bevor die angefangen haben zu reden, tun die mit diesem Genicke und diesem Gewackel kund, daß das, was sie gleich sagen werden, richtig sein wird. Und pflichten sich immer gegenseitig bei. Aber das Allerschlimmste: Das machen die aber nur vor anderen. Zu Hause nicken die gar nicht. Da reden die nämlich gar nicht mehr miteinander. Da grunzen die sich, wenn überhaupt, nur noch an. Aber dann Weihnachten Rundbriefe verschicken! Mit den großen Erfolgsmeldungen! Das sind nämlich genau diese Rundbriefterroristen! Das sind ja genau die, wo die Kinder immer schon durchgeschlafen haben und wo in der Schule immer alles tipptopp läuft. Das ist doch nicht sympathisch! Das ist doch ekelhaft! Und wenn du mal was Schönes von dir erzählst, dann sagen die immer nur: „Ach.“ Oder: „Echt?“ Oder: „Das brauchst du mir nicht zu sagen. Das kenn ich.“ Gruselig ist das! Genau so sind die. Und vor allem: Immer gleich. Exakt gleich. Immer gleicher Meinung. Weil die gar keine Meinung haben. Du kannst dich unterhalten, du kannst es auch lassen. Und wie die dabei immer gucken! Die sind wie so ein Heer von unfreiwilligen Angela-Merkel-Parodisten. Und dann sagen die immer so schreckliche Worte. „Völlegefühl“ zum Beispiel. Wer will das denn bitte hören? Man kann so gut von dieser Welt scheiden, ohne jemals „Völlegefühl“ gesagt zu haben. Aber das geht einfach nicht in deren Kopf. Schlimm ist das. Oder „Besitzstandswahrung“. Warum muß man seinen Mund für Worte wie „Besitzstandswahrung“ bemühen? Was für ein vergebliches, unpoetisches Unterfangen. Oder: „Spendierhosen“, „ehrliche Haut“, „Preis-Leistungs-Verhältnis“. Blanker Terror ist das!
    Und jetzt würde mich doch mal was interessieren! Mich würde interessieren, ob es juristisch möglich ist, auch als Außenstehender für fremde Paare die Scheidung einzureichen. Einfach, damit man das Elend nicht mehr sehen muß. Und auch aus Noblesse. Weil Ehepaare nach spätestens zwanzig Jahren völlig betriebsblind sind. Und der Hilfe bedürfen. Und das verstehe ich auch nicht: daß ein Land da nicht mal eingreift! Ein Land, in dem ansonsten alles behördlich geregelt ist. Ein Land, in dem es für jedes Gummibärchen eine Euronorm gibt. Daß es in diesem Land möglich ist, daß sich ein marodes Paar öffentlich im Partnerlook, namentlich in ockererbrochenen Trainingsanzügen mit fliederfarbenen Streifenapplikationen aufs Tandem schwingen darf, um die schönsten Landstriche der Republik endgültig zu entzaubern! Das verstehe ich einfach nicht! Daß es da nicht wenigstens einer Sondergenehmigung bedarf.
    Und so würde ich denen gerne einmal etwas raten: Bankräuber beispielsweise, die machen sicherlich auch Fehler. Und sie machen sich mit ihrer Tätigkeit Feinde. Das sehe ich schon. Ich möchte auch nicht alles gutheißen, was sie tun. Aber sie verhüllen wenigstens ihr Gesicht! Außerdem: Sie tun was. Irgendwann haben sie ihr beschissenes Leben mal infrage gestellt und etwas Neues angefangen. Die stehen nicht jeden Morgen auf mit übelgelaunter Hackfresse: „Menno, schon wieder arbeiten!“ Nein, da klingelt der Wecker! „Was wollte ich heute denn noch mal machen? Ach richtig: Banküberfall! Hab ich heute schon meine Pistole geputzt?“ Die stehen nicht jeden Morgen vor dem Kleiderschrank: „Ich weiß nicht, was ich anziehen soll…“ Nein: „Neue Strumpfmaske! Sonderangebot, blickdicht. Von KiK. Macht 'ne schlanke Nase. Gut, juckt bißchen ...“ Aber trotzdem: Da ist Frische! Da ist Vorfreude! Da sind Pläne! Und diese Pläne erzählen sie ihrem Leben auch!
    Es ist nämlich sinnvoll, wenn das Leben von den Plänen erfährt, die man hat. Nicht, daß man immer Großes vorhat, aber das Leben weiß gar nichts davon. Und dann steht man da Tag für Tag und wartet, daß irgendetwas passiert - aber das Leben geht immer nur weiter. Oder man läuft atemlos den Berg hoch, und das Leben hat sich längst hinterhältig zurückfallen lassen. Dann steht man mit Kniearthrose auf dem Gipfel und weiß nicht mehr, wie man wieder runterkommt. Das ist nicht gut. Da muß man dem Leben mal zeigen, wer der Herr im Hause ist. Da muß man das Leben mal kurz wegsperren und selber ausbüchsen. Besser als andersrum. Versuchen Sie es mal. Machen Sie doch demnächst was ganz Verrücktes. Nix zum Beispiel. Carpe diem - Vergeude den Tag!
    Bleiben Sie morgen früh einfach mal im Bett liegen. Kuscheln Sie. Lassen Sie die Arbeit sausen. „Ja“, werden Sie sagen, „wenn alle das täten!“ Wenn alle das täten! Auf dieses blöde Argument hat Georg Kreisler schon vor zig Jahren die Antwort gefunden: „Wenn alle das täten, dann hätten halt alle einen herrlichen Vormittag.“ Außerdem tun es nicht alle. Es gibt sowieso wieder irgendeinen Heini, der sich für so unendlich unersetzbar hält, daß er antanzen wird und Ihre Arbeit für Sie mit übernimmt. Sie können also getrost liegenbleiben. Am Ende zahlt es sich aus. Oder glauben Sie im Ernst, daß Sie Ihren letzten Atemzug tun werden und denken: „Ach hätte ich doch damals mehr gearbeitet! Hätte ich doch weniger Freizeit gehabt! Hätte ich mir doch mehr Sorgen gemacht! Hätte ich doch mehr an meinem Mann rumgemäkelt, dann hätte ich den vielleicht doch noch verändert gekriegt! Hätte ich doch im Spätsommer 1983 auf den leckeren Nachtisch verzichtet, den kalorienreichen! Dann würde ich womöglich schlanker sterben!“ NEIN!
    Auf die Mütze! Man lebt nur einmal. Da sollte es schon das eigene Leben sein. Fangen Sie direkt an. Legen Sie jetzt das Buch weg und fangen Sie an, ihre Beziehungsverhältnisse zu klären. Wenn Sie Ihren Lebensmenschen längst gefunden haben, wenn das mal als große Liebe angefangen hat, aber seit Jahren zicken Sie immer nur noch rum und keifen sich an: Lassen Sie das! Küssen Sie sich ordentlich durch - und gut ist. Wenn Ihr Mann oder Ihre Frau aber die totale Katastrophe ist und Sie wirklich schon alles Versucht haben, und eigentlich haben Sie sich noch nie geliebt: Dann treffen Sie jetzt verdammt noch mal jetzt eine Entscheidung! Dann können Sie ihn oder sie auch entsorgen. Vielleicht geht der oder die ja wieder in Umlauf und Wird glücklicher. Wenn Sie aber alleine sind und lieber zu zweit wären, dann sprechen Sie jetzt jemanden an! Was kann denn schon passieren? Da kann doch höchstens jemand nein sagen und denken: „Das war aber ganz schön mutig!“
    Denken sie darüber nach! Machen sie irgendwas - was Sie schon immer wollten, was Sie sich nie getraut haben, geben Sie sich einen Ruck, machen Sie eine Reise, fahren Sie in die Nacht ...



© Tina Teubner

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