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„Sehnsucht nach Leben“ von Margot Käßmann

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Hopfen und Malz, Gott erhalt's
 
„Sehnsucht nach Leben“
von Margot Käßmann
 
 
Liebe Gemeinde!
In einer Welt, die nicht mehr alle Latten am Zaun hat bzw. Kelche in der Krypta, sind so Wesen wie Margot Käßmann natürlich und kein Wunder. Aber wer ist diese Frau in veritas?
Nun, da gehen die Meinungen mächtig auseinander. Für die einen ist sie die Mutter Gottes Numero Zwo, für andere bloß 'n heilloses Dalai Drama aus Niedersachsen; einige sehen in ihr die komplette Wiedergeburt von Maria Magdalena oder sogar die Erzengelin Gabriele höchstpersönlich, wiederum andere halten sie für ein simpel gestricktes Menschel-Monster, eine Fachfrau für eklatantes Piepvogelgemeisel ohne auch nur eine ein­zige Ahnung von Politik und Tuten und Blasen; viele sagen aber auch, bei der seien einfach Hopfen und Malz für immer verloren und da helfe tat­sächlich nur noch trinken. Tja, schwer rauszuklamüsern, wer denn da nun richtiger liegt.

Wohlan, liebe Brüder und Schwestern,
vielleicht gibt uns ja eine feine, kleine Alltagsgeschichte ein Stück weit Auskunft, eine wahre Alltagsgeschichte, die ich in Margots neuestem Fabelbuch fand „Sehnsucht nach Leben". Dort schreibt sie also – und dergestalt geht das da 175 dicke, fette Seiten lang am Stück:
„In meiner Zeit als evangelische Landesbischöfin von Han­nover wurde ich einmal gebeten, an einem Charity-Lauf in einem Gefängnis teilzunehmen.“ Äh. Charity-Lauf! Verstehense? Charity …! Lauf …! In ’nem Gefängnis! Da könnt ich schon kriminell drüber werden! Aber egal.
„Etwas ironisch sagte ein Bekannter zu mir: ‚Na, dann lauf ma schön: immer an der Wand entlang!’ Ich habe schon mehrere Gefängnisse besucht, dieser Lauf aber war besonders eindrücklich.“ Soso! Eindrücklich war er also!
Aber warum so ... besonders eindrücklich?
„Weil wir in der Tat immer nur an der Wand entlang laufen konnten.“ Echt? Is ja n Ding! Und als, sagen wa mal Knast-Event, ein Charity-Freigang mit Charity-Freilauf draußen hinter der Bischöfin her war da nich drin?
Na, egal. Und wie, äh, wie war dann der Charity-Hoflauf sonst so?
„Es war ein beklemmendes Gefühl. Einige Insassen waren sehr durchtrainiert. Offenbar nutzten sie jede freie Minute zum Krafttraining. (?) Andere waren in schlechter körper­licher Verfassung und machten offenbar nur mit, um aus der Zelle herauszukommen, frische Luft spüren zu können und andere Menschen zu sehen.“ Ja, z.B. ne quatschsüchtige evangelische Ex­trem-Bischöfin beim Liebeslauf! Hat man ja auch nich alle Tage. Geile Geschichte! Aber so allmählich fragt man sich: Wat will se?
„Ich möchte auf keinen Fall unser Rechtssystem in Frage stellen.“ Ja, nee, is klar! „Aber unsere Gesellschaft sollte sich dennoch klarmachen," ja, bitte? "wie hart Gefängnis­strafen sind.“ Yo! Ich sag nur: Bischöfliche Charity-Läufe im Gefängnishof! Und, wie hart sind die denn so, diese Gefängnisstrafen?
„Wer in Haft ist, auch in einem so entwickelten Land wie Deutschland, befindet sich eben nicht in einem Hotel, wie manches Boulevardblatt es uns weismachen will.“ Ja, diese Boulevardblätter aber auch immer! Furchtbar! (Vor allem die "Bild am Sonntag", wo wir jeden Sonntag selber unsern Mist verhökern!) Weiter!
„Da kannst du nichts selber entscheiden! Der Tag ist gere­gelt. Du bist allein. Oder mit mehreren anderen auf sehr engen Raum beschränkt. Die eigene Freiheit ist dahin. Die Post wird kontrolliert. Du kannst die Men­schen, die du liebst, nicht täg­lich sehen. Du bist oft arbeitslos, hast Angst um deine eigene Zukunft, die Ehe und die Kinder, und diese Angst treibt dich dann um. Sie läßt dich nicht schlafen. Sie macht die Men­schen krank und isoliert sie.“
Hm.

Jetzt mal abgesehen davon, meine Damen und Herren, daß es natürlich schlimm ist, wenn man selber nix entscheiden kann, der Tag geregelt ist und so die eigene Freiheit dahin; wenn man die Menschen, die man liebt, nicht täglich sehen kann, wenn man Angst um die eigene Zukunft hat, die Arbeit, die Ehe und die Kinder, und wenn diese Angst einen dann um­treibt, krank macht, isoliert und nicht mehr schlafen läßt, und … und ... ...und abgesehen davon, daß das alles punktgenau auch auf den Rest der bürgerlichen Gesellschaft zutrifft - , also abgesehen von dieser ex­trem mutigen, unglaublich radika­len Gefängniskritik denk ich mal, daß dieses inkommensurable Pfaffengeschwätz, dieses bigotte Geschwalle und Gelalle selber mit verschärfter Einzelhaft behandelt werden müßte. Bis zum Allerjüngsten Tage. Mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Na ja, fromme Wünsche.
Wie aber könnte das Leben im Knast zumindest ein bisschen verbessert werden? Die mutige, kritische Margot ist ja schließlich nicht nur berühmt für ihre mutige, kritische Kritik. Sondern auch für ihre Sicht aufs Positive, auf Heilung, Hoffnung & Veränderung. Und hier ist er nun, meine Damen und Herren, ihr begnadeter Plan, ihr Vorschlag, ihr revolutionäres … okay, evolutionäres Projekt zur Verbesserung der beschissenen Situation:
„Die Gefängnispastoren“, so schreibt sie, „klagen oft da­rüber, daß in den Fürbitten der Gemeinden die Gefan­genen immer seltener erwähnt werden.“
Ja, und das ... das war es auch schon.
Tut mir Leid, wenn Sie jetzt mehr erwartet hatten.

Ein anderes wichtiges Thema – und damit möchte ich schließen – ist bei Margot bekanntermaßen der Krieg. Und in der Angelegenheit ist sie nun in der Tat so mutig wie sonst keine andere Margot auf dieser Welt:
„Es wäre besser, mit den Taliban zu beten, als sie zu bom­bardieren!“
Na! Da sag ich: Super Idee! Nur zu! Und am besten an nem Tag wie … Christi Himmelfahrt.
Guten Flug.
Danke schön.

(Jun. 2011)