Sind Pflanzen „intelligent“?
Dieser Frage geht der italienische Pflanzenforscher und Hochschullehrer Stefano Mancuso in seiner Forschungsarbeit nach, zu der er in seinem populärwissenschaftlichen Buch „Die Intelligenz der Pflanzen“ eine Tür öffnet. Der gemeinsam mit der Wissenschaftsjournalistin Alessandra Viola (sic!) herausgegebene Band kann auf seinen 166 Seiten das ungeheuer komplexe Thema aber nur anreißen, muß zwangsläufig marginal bleiben.
Daß wir ohne die Pflanzen, die uns mit Nahrung, Energie und Sauerstoff versorgen, nicht einmal nur wenige Wochen überleben könnten, beginnt so langsam auch in das Bewußtsein der Wohlstandsgesellschaft einzudringen. Daß wir von ihnen und den Insekten, die sie bestäuben völlig abhängig sind, passt nicht in das hybride Weltbild, das sich der sogenannte zivilisierte Mensch zurechtgemacht hat. Wieso sollten wir Vernunftbegabten auf Gedeih und Verderb auf „niedere“ Lebewesen angewiesen sein, um auf der Erde existieren zu können? Und doch ist es so. Nicht grundlos reagiert die Wissenschaft fast panisch auf das massenhafte Sterben von Bienen überall auf der Erde. Ohne sie ist das Leben der meisten Blütenpflanzen, darunter das Obst, gefährdet, würden entscheidende Nahrungsgrundlagen, vom Getreide und anderen „Luftbestäubern“ mal abgesehen, schlagartig verloren gehen. Was wir essen, hängt unmittelbar mit der Pflanzenwelt zusammen, denn auch das Fleisch, das in Unmengen erzeugt und konsumiert wird, ist ohne pflanzliche Nahrung für Rinder, Schafe, Schweine etc. nicht denkbar.
Aber zurück zum eigentlichen Thema von Mancusos Forschung und Buch: die Intelligenz der Pflanzen. Daß sich Pflanzen auf der Erde durch ihre Verwurzelung nicht aus eigener Kraft vom Fleck bewegen, also fortbewegen können, ist bekannt. Daß sie sich aber tatsächlich bewegen und damit auf Umweltreize, Überlebensanforderungen und Nahrungsangebote reagieren, stellt Mancuso in den Kontext der Intelligenz. Mancuso beschreibt u.a. die in der Tat verblüffende Tagesbewegung der Sonnenblumen, das Schlafverhalten einiger Pflanzen und die Strategien verschiedener fleischfressender Pflanzen. Er stellt evolutionäre Veränderungen, Strategien und „Methoden“ fest, die den Pflanzen, die nicht über Mensch und Tier vergleichbare Organe verfügen, aber in der Gesamtheit ihrer Zellstruktur und Wurzelausbildung durchaus ein Organismus sind, Verhaltensweisen entwickelt haben, die ihr Überleben sichern, Freßfeinde abwehren und symbiotische Verbindungen mit anderen Lebewesen, vor allem Insekten ermöglichen.
Mancusos These, daß Pflanzen „außer den fünf Sinnen des Menschen noch mindestens 15 weitere besitzen, mit denen sie nicht nur elektromagnetische Felder erspüren und die Schwerkraft berechnen, sondern zahlreiche chemische Stoffe ihrer Umwelt analysieren können“ ist zumindest interessant und diskutabel. „Mit Duftstoffen warnen sie sich vor Freßfeinden oder locken Tiere an, die sie davon befreien; über die Wurzeln bilden sie riesige Netzwerke, in denen Informationen über den Zustand der Umwelt zirkulieren. Ohne Organe können sie so über eine Form von Schwarmintelligenz Strategien entwickeln, die ihr Überleben sichern.“ In vielen Beispielen versucht Mancuso, oft gestützt auf Charles Darwin, seine Forschungsergebnisse zu belegen. Daß er, wie schon erwähnt, dabei sehr an der Oberfläche bleibt, sich unendlich oft wiederholt und ausufernd biographische Daten zu anderen Wissenschaftlern aufreiht, die er zu Zeugen aufruft, macht die Lektüre nicht eben interessanter. Das Thema fasziniert, das Buch leider nicht. Da hätte man sich mehr sachliche Tiefe gewünscht. Doch es weckt Neugier.
Stefano Mancuso / Alessandra Viola - „Die Intelligenz der Pflanzen“
Aus dem Italienischen von Christine Ammann
© 2015 Verlag Antje Kunstmann, 166 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, einige, auch farbige Illustrationen - ISBN 978-3-95614-030-319,95 €
Weitere Informationen: www.kunstmann.de
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