Der Spott der kleinen Dinge

Alles für die Katz

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Alles für die Katz
 
Neulich habe ich im Briefkasten einen Prospekt gefunden. Er versprach „Alles für Ihr Tier“. Ich habe kein Tier. Der Hund, den ich als Kind hatte, fuhr allein Straßenbahn ohne Fahrkarte und stahl eingeschlafenen Tippelbrüdern ihr Essen aus der Tasche. Später hatten wir einen depressiven Papagei, der nie sprach, aber zuverlässig biß. Als wir im Urlaub waren, ist er gestorben. Eine Tante hütete ihn zu dieser Zeit und war sich nicht sicher, wie viel er uns bedeutete. Sie legte den Papagei auf Eis, falls wir ihn ausstopfen lassen wollten. Ich frage mich, was die Hähnchenschlegel im Dreisternefach damals über den neuen Nachbarn gedacht haben.
    Der Prospekt war voller Überraschungen. Es gibt ein Gerät, das die Katze füttert, obwohl man auf Kegeltour ist: „48 Stunden Timer, Kühlakku, Batterie“. Man kann die Zeit einstellen, zu der der Automat die Klappe aufmacht und gehacktes Kaninchen anbietet. Kein Wunder, daß Katzen an Gott glauben. Keiner da, und der Herr gibt doch. Noch besser hat mir eine Tennisballschleuder gefallen. Mit ihr kann man „mit geringem Kraftaufwand“ einen Ball werfen. Der Ball ist „zahnfreundlich“. Eine gigantische Täuschung: Das Herrchen gibt vor, unerhört weit werfen zu können, während der Hund den Anschein erweckt, enormen Biß zu haben. Ich glaube, daß die wirklich dauernden Beziehungen in unserem Leben ohne solche Lügen nicht denkbar sind. Die Tennisballschleuder ist eine Behauptungs-Prothese. Darüber, daß sie die Beteiligten glücklicher macht als ein schlaffer Oberarm und schlechte Zähne, kann man lange nachdenken.
    Am gleichen Tag habe ich Erik Zabel im Fernsehen gesehen. Es war ein aufwühlender Auftritt. Der Radfahrer erzählte vom Doping. Das war schon traurig, aber am traurigsten war, als er auf seinen Sohn zu sprechen kam und weinen mußte. Zabel versagte die Stimme. Und in diesem Moment kam eine Hand von hinten und klopfte ihm sehr zärtlich auf den Rücken. Die Kamera war so nah an Zabels Gesicht, daß es unmöglich war, die Hand zuzuordnen. Wenn ich eine Katze wäre, würde ich vielleicht denken, es war Gott. Ich dagegen tippte auf Jan Ullrich. Aber Zabel war in Bonn und Ulle am Bodensee.
    Ging das? Mir fiel der Futterautomat ein und die Schleuder. Wer ohne Hilfe durchs Leben kommt, der werfe den ersten Ball.
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.