Eine würdige Erinnerung

Inge Brandenburg – „Easy Street“

von Frank Becker

© Bear Family Productions
Das wenige, das blieb
 
Das wenige, das Inge Brandenburg (1929-1999) hinterlassen hat, gehört zum Besten, was der europäische Vokal-Jazz je zu bieten hatte. Auch heute, 16 Jahre nach ihrem Tod, ist die Jazz-Sängerin mit dem unverwechselbaren Timbre unerreicht. Schon vor 24 Jahren, also noch zu Lebzeiten der Künstlerin, hatte Bear Family Records ein Album mit 24 Titeln aufgelegt, das die Bandbreite Inge Brandenburgs an der Seite der groß besetzten Tanzorchester von Werner Müller, Kurt Edelhagen oder Hans-Martin Majewski zeigte – neben einigen wenigen Jazz-Titeln überwiegend die so oft von Kritikern mit Recht verpönten Pop-Stücke und Schlagerchen, zu denen dieses einzigartige Talent von seinen damaligen Plattenfirmen DECCA, Polydor und CBS genötigt worden war. Ich nenne nur „Amateur d´amour“, „Sieben Tage, sieben Nächte“, „Harrys kleiner Ballsalon“, „Südlich von Hawaii“ – schauderhaft! Gleichwohl blieb das stimmliche Potential der Sängerin erkennbar. Die wenigen Titel mit Otto „Fats“ Ortwein und den King Beats belegen es. Ein wunderbares Booklet mit einer bestens recherchierten Biographie, detaillierten Aufnahmedaten und raren Fotos begleitete „(Why Don´t You Take) All Of Me“, so der Titel des 1991er Albums, das 2011 neu aufgelegt wurde.

Nun legt Bear Family ein weiteres Album vor, das mit zwölf erlesenen Aufnahmen aus den Jahren 1959-1961 all das wett macht, was Produzenten ansonsten versaubeutelt haben. Mit dem Allstar-hr-Jazzensemble und dem Joki Freund Quintett entstanden Perlen des deutschen Jazz, die auch nach 55 Jahren so frisch und verführerisch klingen, als seien sie gestern erst aus der Plattenpresse gekommen. Was Inge Brandenburg, Albert Mangelsdorff & Co. damals gezaubert haben, ist absolute Weltklasse. Es sind die ganz großen Namen der deutschen Jazz-Szene jener Jahre, die sich u.a. in der Besetzung finden: Peter Trunk, Günther Lenz, Rudi Sehring, Pepsi Auer, Emil Mangelsdorff, Joki Freund, Hartwig Bartz, Heinz Sauer, Dusko Goykovich, Günter Kronberg. Eine gute Stunde dauert das Vergnügen – und es ist eine gute Stunde. Im ins Digipack eingehefteten 41-seitiges Booklet mit phantastischen Fotos und detaillierten Aufnahme-Daten erzählt Jürgen Schwab noch einmal Inge Brandenburgs Lebensgeschichte und Karriere. Eine würdige Erinnerung an Deutschlands größte Jazz-Sängerin. Von den Musenblättern empfohlen sowie mit dem Musenkuß und als unser Album des Monats ausgezeichnet.
 
Inge Brandenburg – „Easy Street“
(P) + © 2015 Bear Family Productions / hr2
 
Inge Brandenburg (voc) – hr-Jazzensemble: Albert Mangelsdorff (cond., tb, g) - Peter Trunk, Günther Lenz (b) – Rudi Sehring, Hartwig Bartz (dr) – Pepsi Auer, Pierre Francino (p) – Emil Mangelsdorff (fl, as) – Joki Freund, Heinz Sauer (ts) – Dusko Goykovich (tp) – Günter Kronberg (as, bs)
Joki Freund Quintett: Helmut Breuer (b) – Rudi Sehring (dr) – Rolf Lüttgens (p) – Emil Mangelsdorff (as, fl) – Joki Freund (ts)
 
Titel:
1 Moonglow - 2 Stormy Weather - 3 What A Difference A Day Made - 4 Easy Living - 5 Love For Sale - 6 I Guess I'll Have To Change My Plan - 7 Angel Eyes - 8 That Old Black Magic - 9 They All Laughed At Christopher Columbus - 10 Skylark - 11 You're Not So Easy To Forget - 12 When Sunny Gets Blue - 13 Almost Like Being In Love - 14 I've Got To Pass Your House To Get To My House - 15 You Gotta Wail - 16 Easy Street - 17 Yardbird Suite - 18 Everytime - 19 Way Out There - 20 You Don't Know What Love Is
 
Gesamtzeit:  1:00:49
 
Weitere Informationen:  www.bear-family.com